Das Werden der Pfarre Breitensee
Unter Einbeziehung der Geschichte des Marchfelds.
Festschrift anläßlich der 200-Jahrfeier im Jahr 1984
Wenn SIE Unterlagen, alte Bilder, Informationen oder Sonstiges über die Geschichte von Breitensee haben, würde ich mich freuen, sie hier veröffentlichen zu können. Bitte nehmen Sie Kontakt mit mir auf.
Vorwort
Der Weltpriester namens Gotthardus Bartusch aus Böhmen, wurde am 30. Juni 1784 vom Patron als Lokalkaplan dem Bischof vorgeschlagen. Damit begann in Breitensee eigenständiges pfarrliches Leben.
Diese 200 Jahrfeier will daran erinnern. Es darf aber nicht bloß ein Zurückschauen auf die Vergangenheit bleiben, sondern ein Besinnen auf den Stand in der Gegenwart und soll ein mutiges Ausschreiten in die Zukunft werden.
Wie Euer Gotteshaus aus vielen Steinen vor Jahrhunderten zusammengefügt wurde, „so lasst auch Euch – wie der Apostel Petrus sagt – als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“.
Auf jeden einzelnen kommt es an, ob dieser Bau der Pfarrgemeinde gelingt, ob und wie das kostbare Erbe des Glaubens den kommenden Generationen weitergegeben wird.
Dass dies Euch Breitenseern mehr und mehr gelinge, ist mein Wunsch zu dieser Feier!
Bischofsvikar Josef Nowak
Vikariat unter dem Manhartsberg
200 Jahre selbstständige Pfarre Breitensee! 200 Jahre kirchliche Gemeinde, Gemeinde Christi, in einem Grenzland zwischen Ost und West, zwischen östlicher und westlicher Kultur, in einem Grenzland, wo vor 1200 Jahren die Missionare aus Byzanz und aus dem West-Röm. Reich einander berührten.
Dieses Jubeljahr soll Euch, Christen von Breitensee, noch mehr miteinander verbinden! Christus hat uns aufgetragen, Gott über alles zu lieben und unsere Nächsten wie uns selbst. Das bedeutet, dass wir zusammenhalten und zusammen kommen müssen. Beides macht die christliche Gemeinde zu einer lebendigen christlichen Gemeinde.
Die Pfarrkirche ist der Mittelpunkt dieses christlichen Lebens. Sie ist das Zeichen, dass Gott den Menschen unserer Gemeinde nahe ist, ja dass er mitten unter uns wohnt. Sie ist aber ebenso auch das Zeichen der Einheit der Menschen in unserer Gemeinde.
Aus der gemeinsamen Feier des Opfers Christi soll die Liebe im täglichen Leben Kraft und Nahrung schöpfen.
Gott möge die Pfarrgemeinde Breitensee immer mit seinem Segen begleiten!
Hl. Peter und Paul betet für unsere Gemeinde vor dem Thron unseres Herrn!
Geistlicher Rat
Jan van Hellenberg-Hubar
Dechant
200 Jahre Pfarre Breitensee ist unter anderem ein Grund, etwas in der Chronik zu blättern, offenbart sich doch hier die wechselvolle Geschichte dieser Pfarre und ihrer Pfarrherrn.
Für mich als Bürgermeister ist vorerst das Verhältnis von Kirche und Pfarre zur Gemeinde, wie es sich im Laufe der zurückliegenden Jahre ergeben hat, von Bedeutung. Der Chronik nach zu schließen, muss es meist gut gewesen sein.
So liest man hier von Grundübereignung an die Pfarre 1858.
1879 hat eine Missernte die Breitenseer hart betroffen.
Erstmals konnte damals der Verpflichtung gegenüber der Kirche nicht nachgekommen werden.
Ein besonderes Ereignis für Breitensee war wohl die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Herrn Pfarrer Sedlacek im Jahre 1900. Wird doch damit die besonders gute Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Pfarrer dokumentiert.
Von einem Konflikt mit dem Pfarrherrn ist erstmals zwischen 1923-1925 die Rede. Es kam sogar zu einer Gerichtsvollhandlung wegen „nicht erbrachter Leistung der Gemeinde Breitensee“. 1926 ist aber wieder Friede zwischen Pfarrherrn und Gemeinde eingezogen, denn ab diesem Zeitpunkt – so berichtet die Chronik – wurden wieder alle Leistungen der Gemeinde an der Pfarre garantiert.
Heute, so darf ich doch sagen, herrscht eine gute Zusammenarbeit. Die Gemeinde will diese weiterpflegen, vertiefen und Unterstützung im Rahmen des Möglichen geben.
Diese Betrachtung und diese Feststellung verbinde ich mit dem Wunsch, dass das Fest der Pfarrgründung die Verbundenheit von Kirche und Gemeinde befruchtet und neuerlich dokumentiert.
Bürgermeister
Erwin Knopp
Es ist für mich eine angenehme Pflicht, zum 200 jährigen Bestehen unserer Pfarre einen Glückwunsch aussprechen zu dürfen.
Es sind ja vorerst religiöse Ziele, welche Kirche und Pfarre für die Gläubigen zu erfüllen vermögen. Darüber hinaus wirkt die Kirche auf breitester Ebene im geistigen Belange und hat heute ebenso wie in der Vergangenheit einen wesentlichen Anteil am kulturellen Geschehen der Gemeinschaft.
Unser Dorf hat seit seinem Bestehen viel e kriegerische Auseinandersetzungen erdulden müssen. Breitensee teilte so das Schicksal aller Marchfelddörfer.
Die Kirche war hierbei stets ein Ort des Glaubens und der Geborgenheit.
Mit Vertrauen zu Gott und mit der Liebe zur heimatlichen Scholle wurden Kriegswirren, Epidemien, Seuchen und Hungersnöte überwunden.
Möge der Pfarrgemeinde jetzt eine friedliche Zukunft beschert und weiterhin ein segenreiches Wirken ermöglicht werden.
Stadtrat
Helmut Schlusche
Ortsvorsteher
Für den Verfasser war es eine anregende Aufgabe, das Werden der Pfarre seines Heimatortes im Rahmen der Geschichte unserer Marchfeldheimat darzustellen.
Der kurze geologische Exkurs zu Beginn der Arbeit mag zum besseren Verstehen der wirtschaftlichen Probleme des Dorfes beitragen. Wo es nur Schotter, Sand und wenige ausgezeichnete Ackerböden gibt, kann die Bevölkerung, insoweit sie aus Bauern besteht – was ja die längste Zeit der Fall war – kaum wohlhabend werden. Auf die Kirche bezogen heißt das, dass die zur Verfügung stehenden Mittel stets beschränkt waren.
Wenn es dennoch im Laufe der Zeit zu beachtenswerten Leistungen auf kirchlichem beziehungsweise kirchenbaulichem Gebiet gekommen ist, so zeigt das von besonderer Tüchtigkeit und tiefer Gläubigkeit unserer Vorfahren.
Die Besiedlungsgeschichte wurde bewusst von der Anfangszeit menschlicher Siedlungen in unserem Raume – also Marchfeld und Weinland – aufgezeigt, das zwar in groben Zügen, so wurde aber eine Abrundung und Vervollständigung erreicht.
Es wäre schön, wenn möglichst viele Mitbürger diese Broschüre studierten. Das Schicksal der Menschen, die vor uns hier gelebt haben, die überragende Bedeutung der Kirche für unser Dorf und das Vorbild starker, wertvoller Persönlichkeiten könnten dadurch besser erfasst, die Gegenwart aber mit ihren scheinbar so großen Problemen würde nüchterner und emotionsloser beurteilt werden.
Regierungsrat
Franz Garhöfer
Allgemeines
Es ist ja nicht von ungefähr, dass gerade wir hier leben und arbeiten, dass wir deutsch sprechen, und dass wir in einem ausgeprägten christlich-katholischen Lebenskreis eingebettet sind.
Das sind Fakten, die sich aus ungezählten Ereignissen, Begebenheiten und oft schweren Schicksalen – auch persönlicher Art – ergeben haben, deren Entwicklung weiter geht. Wohin und wie – wer weiß es?
Die Kenntnis der Vergangenheit kann uns dazu befähigen, Verhalten und Tätigkeit der Vorfahren mit Verständnis und Herz nachzuempfinden und im Entscheidungsfälle sinnvoll zu handeln.
Unser Dorf war bis 1800, besser gesagt bis zur Errichtung der Eisenbahn Gänserndorf-Marchegg 1847 und Wien (Stadlau) – Marchegg 1870 ein reines Bauerndorf, das bestenfalls zusätzlich die erforderlichen Handwerker hatte. Heute sind es nur mehr wenige Familien (15), die hauptberuflich Bauern sind. Trotzdem verfolgen wir alle auch jetzt noch Arbeit und Erfolg dieser Berufsgruppe mit Aufmerksamkeit und leiden mit ihr bei Misserfolgen. Sie schafft „unser tägliches Brot“, sie kann das umso besser, je weniger sie von wirtschaftlichen Sorgen geplagt ist.
Unsere Ackererde
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu hören, wie unsere Marchfelderde – im besonderen auch Breitenseer Erde – geworden ist.
Einfach dargestellt folgendermaßen:
Alpen – an schönen Tagen sehen wir von ihnen den Schneeberg – und Karpaten – das ist die Gebirgskette jenseits der March – bildeten vor urdenklichen Zeiten ein zusammenhängendes Gebirge.
Vor etwa 60 Millionen Jahren begann sich dieses Gebirge in dem Teil, wo jetzt Marchfeld und Weinland sind, zu senken (Wiener Becken).
Die Große Ungarische Tiefebene war damals ein Meer. Als die Senkung die entsprechende Tiefe erreicht hatte, überschwemmte dieses Meer auch unser Gebiet. Nach etwa 30 Millionen Jahren hörte die Senkung auf. Sie war auch mit einem „Zerbrechen“ des Gebirges verbunden.
Die mächtige Donau mündete in dieses Meer – damals etwa in der Gegend des heutigen Mistelbach. Infolge ihrer Ablagerungen war sie die Hauptursache, dass das Meer verlandete. (1a)
Dem Meer verdanken wir das Öl und das Erdgas. Planktonartige Kleinlebewesen sanken, nachdem sie abgestorben waren, zu Boden – milliardenfach – und bildeten dort hohe Schichten, man nennt sie Faulschlammschichten. Diese entwickelten sich durch Druck, erhöhte Temperaturen und bakteriologische Einwirkungen zu Öl und zu Erdgas.
Die Donau brachte den Ackerboden:
Schotter – Sand – Lehm.
Es gibt bei uns keinen Platz, wo nicht einmal die Donau geflossen wäre.
Auch über unseren „Berg“ rann sie dahin, und die Abhänge des „Berges“ von der Bahn bis Breitensee, dann nach Osten weiter bis Schlosshof, sind nichts anderes als Wagrame (Wogenränder) der Donau.
Unser See aber, von dem wir den Ortsnamen haben – ebenso wie Lassee (Lauchsee) und Haringsee (Horwengse = schmutziger See) – ist der Rest eines alten Donau-Wasser-Laufes.
Die Besiedelung
- Die urgeschichtliche Zeit – bis Chr. Geb.
Die älteste bekannte Siedlung in unserem Raume ist Stillfried. Ausgrabungsergebnisse zeigen, dass dort schon vor 30.000 Jahren eine altsteinzeitliche Jägersiedlung bestand.
Aus der Zeit von 1800 bis 800 vor Christi (Jungsteinzeit) gibt es Funde in größerer Zahl. Vor allem sind das die Orte Blumenthal, Dürnkrut und Zwerndorf, wo sich Siedlungen nachweisen lassen.
Auch in Breitensee wurden beim Pflügen auf Seegrundstücken steinzeitliche Relikte gefunden. (Der Schreiber der Zeilen besaß selbst 2 Steinzeitbeile. Sie sind 1945 abhanden gekommen.)
Funde aus unserem gesamten Raum von Hohenau bis Stopfenreuth und Orth dokumentieren, dass unsere Heimat in der anschließenden Bronze- und der nachfolgenden Eisenzeit weiterhin besiedelt war.
Besonders zu nennen wären hier die Orte Oberweiden, Stripfing und Untersiebenbrunn.
Um Christi Geburt waren es die Kelten, die hier siedelten. Dieses Volk – auch Gallier, Galater oder Galli genannt – reichte in seiner größten Ausdehnung von Kleinasien (heute Türkei) quer durch Europa bis England (Wales).
Die Kelten waren auch in kultureller Hinsicht von Bedeutung. Apostel Paulus würdigte sie in seinem „Brief an die Galater“.
Die Besiedlung von damals muss man sich sehr dünn vorstellen. Wir kennen Reste einer keltischen Anlage auf dem Braunsberg bei Hainburg, zudem wurde in Untersiebenbrunn eine keltische Münze mit der Aufschrift „Cobrovamarus“ gefunden. (1d)
Der Name der March stammt zum Teil aus dieser Zeit:
„mar“ ist keltisch und heißt Sumpfwasser
„ahawa“ stammt aus der nachfolgenden germanischen Zeit und heißt Fluss. Dieses Wort hat
sich in unserer Flussbezeichnung „Aache“ bis heute erhalten. Wörtlich heißt „March“ also
„Sumpffluss“. (1d)
- Die frühgeschichtliche Zeit – von Chr. Geb. bis 1000
Aus Böhmen und Mähren kommen die Markomannen und mit ihnen die stammverwandten Quaden. Es sind das germanische Volksstämme, wovon letzere beiderseits der March siedelten.
Bald haben die Germanen im Süden auch die Donau erreicht und sind jetzt auf der Jahrhunderte hinaus die unangenehmen Nachbarn der Römer, die zu dieser Zeit, von der anderen Seite kommend, ihre Donaugrenze einrichteten.
In der kommenden Zeit gibt es wiederholt kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Römern und den Germanen, und das Marchfeld wird zum erstenmal Schlachtfeld.
Ob es in Breitensee damals eine Siedlung gegeben hat, lässt sich nicht feststellen. Konkrete Funde gibt es aus Baumgarten, Marchegg und aus Stopfenreuth.
Möglich wäre eine Siedlung allerdings hier gewesen. Der hochgelegene Hang vor Hochwasser, das Land mit dem See bot gute Möglichkeiten für Jagd und Fischerei.
Zudem lag der Flecken hier an der sogenannten Bernstraße. Diese war eine wichtige Nordsüdverbindung und diente hauptsächlich als Handelsweg. Von Stopfenreuth (Überfuhr!) kommend führte sie über Niederweiden, Groissenbrunn, Breitensee, Oberweiden, Angern und weiter nach Norden bis an die Ostsee.
Um 400 zogen die Quaden gemeinsam mit den durchziehenden Wandalen nach Westen ab. Sie waren schon vorher unter ihrer Königin Frigitil zum katholischen Glauben übergetreten.
Durch die aus Asien vorstoßenden Hunnen (375) setzten sich wesentliche Teile der ostgermanischen Staaten – vom Kaukasus bis zur Krim beginnend – nach Westen hin in Bewegung.
Wir nennen diesen Zeitabschnitt die Zeit der Völkerwanderung.
Unser Marchfeld wird Durchzugsland und Aufenthaltsraum verschiedener germanischer Völker. Es sind das die Heruler, die Goten Rugier und zuletzt die Langobarden.
Aus dieser Zeit stammt der Grabfund einer gotischen Fürstin aus Untersiebenbrunn. Er wurde ein außergewöhnlich schöner uns sorgfältig gearbeiteter Körperschmuck mit ins Grab gegeben.
Auch die Hunnen beherrschten unsere Heimat, allerdings nur von 433 bis 453. Nachdem ihr König Attila gefallen war, wurden seine Söhne „in der Schlacht an der Leitha“ geschlagen, sodass Germanen wieder unumschränkte Herren des Landes waren.
Der letzte germanische Stamm auf dem Boden unserer Heimat waren die Langobarden. Sie hatten ihr Reich durch kluge Politik weit nach Süden ausgedehnt, erreichten Plattensee und Save, und waren in der letzten Zeit ihres Hierseins eher als Führungsschichte, denn als Ackerbauern anzusehen.
Aus der Langobardenzeit gibt es bei uns zahlreiche Funde – auch in Marchegg und in Baumgarten. 568 tritt der letzte Langobardenkönig (Albion) sein Land an die Awaren ab, die nun für 200 Jahre hier die Herrschaft antreten.
Mit den Awaren – und sicher schon vereinzelt früher – kamen die Slawen in unser Land. Hiebei gab es keine feindlichen Auseinandersetzungen. Slawen lebten friedlich mit den zurückgebliebenen Germanen. Hin und wieder hatten sie auch gemeinsame Friedhöfe.
Die Awaren waren ein Reitervolk – ein Herrenvolk – das die bodenständige Bevölkerung schonte, diese für sie arbeiten ließ, dessen Führungsschichte allerdings ausrottete.
Die Awaren begnügten sich nicht mit dem vor ihnen besetzten Land, sie machten in der Folge Raubzüge nach Westen bis in das Reich der Franken. Karl der Große vernichtete sie in zwei Feldzügen (791 und 805). Um sein Reich nach Osten hin zu sichern, gründet er Ostmarken – eine davon bei uns: die karolingische Ostmark oder die awarische Mark genannt.
Aus dieser Zeit stammt die Michaelskirche in Orth, wahrscheinlich aber auch Gotteshäuser, die dem fränkischen Heiligen Martinus geweiht sind. Es könnte also auch Lassee dazu gehören, ebenso Sachsengang – das heutige Oberhausen – das mit Sachsen, jetzt würden wird Westfalen sagen, besiedelt wurde. Ansonst gibt es wenig Spuren aus dieser Zeit. Nach Karls Tod stand das Land bald unter slawischer Herrschaft, wurde aber von Bayern aus mit Erfolg christianisiert.
Diese verhängnismäßig ruhige Entwicklung wurde durch das Vordringen der Ungarn entscheidend gehemmt. 907 schlugen sie ein bayrisches Heer bei Preßburg und gelangten so in den Besitz unserer Heimat. Das Ende der karolingischen Mark war damals besiedelt.
Die Ungarn waren ein Reitervolk, den Awaren verwandt. Auch sie bildeten bloß eine Oberschichte, ließen das niedere Volk im großen und ganzen ungeschoren, töteten aber dessen Führer.
Durch ihre wiederholten Raubzüge weit in das Römisch Deutsche Reich wurden sie zu einer unmäßigen Plage. In der Schlacht auf dem Lechfelde (Augsburg) wurden sie 991 von Kaiser Otto I. vernichtend geschlagen. Es heißt, dass nur 7 Ungarn ihre Heimat wieder gesehen haben. (1e und 1g)
Durch diese Niederlage wurden die Ungarn in die Gebiete östlich der March zurückgetrieben, auch das Marchfeld wurde dadurch für neue Zuwanderung bayrischer Kolonisten frei. Das Grenzgebiet an der March – also unsere engste Heimat – blieb aber weit bis über die Hälfte des 11. Jahrhunderts Einfallsgebiet der oft höchst feindlich gesinnten ungarischen Reichsführung. (1c)
- Die Besiedelung in der Zeit von 1000 bis 1150
Alle Völker und Stämme, die bisher auf Marchfeld- und Weinlandboden gelebt hatten, waren nicht seßhaft in unserem Sinne.
Sie wohnten zwar in Gehöften – aus Holz gebaut, mit Stroh oder Rohr gedeckt – oder in Hofgruppen (Weilersiedlung), nahmen das Land rundherum in ihrem Besitz, zögerten aber nicht, den Wohnort zu wechseln, wenn sich etwas Besseres fand.
Nach dem Sieg Otto I. über die Ungarn drangen die Deutschen Kaiser und Markgrafen von Bayern aus allmählich bis zur March und darüber hinaus siedlungsmäßig vor. Hierbei kam es häufig zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Ungarn. Von Kämpfen mit einer eventuell vorhandenen bodenständigen Bevölkerung ist nichts bekannt.
Wie die Besiedelung vor sich ging, darüber berichtet keine Geschichtsquelle. Sie erfolgte aber nach einem genauen und sinnvoll überlegten Plan. Nach einer exakt durchgeführten Landvermessung reihte sich lückenlos Dorf an Dorf.
Wie anderswo, nahmen wahrscheinlich auch hier eigens dazu befähigte Landvermesser (Lokatoren) diese Arbeit vor.
Beinahe alle heutigen Orte mit ihrer Verteilung von Kulturland und Wald, mit ihren Gemeindegrenzen, ja selbst mit ihren Ackergrenzen (bis zur Kommassierung), gehen auf diese Zeit zurück.
Organisation und Technik der Ansiedlung treffen auch auf Breitensee zu, womit man mit Sicherheit daraus schließen kann, dass auch unser Dorf damals entstanden ist.
Wir haben, zum Unterschied von den wenigen noch aus der Karolingerzeit stammenden Orten wie etwa Stillfried, nicht die Blockflur sondern die Lüßflur auch Gewannflur genannnt. Der gesamte Gemeindegrund – mit Ausnahme der Krautäcker – war in drei Felder geteilt. Wir benennen die Felder heute noch so wie damals:
– das Obere Feld
– das Mittelfeld und
– das Untere Feld.
Die Dreiteilung entsprach der damals gebräuchlichen Dreifelderwirtschaft. Jedes Haus hatte in jedem Feld den gleichen Anteil.
In jedem Feld waren ertragsmäßig gleichwertige Ackerböden zusammengefasst. Zu einem Ganzlehen gehörten bei uns 30 Joch. Nach dem hierorts heute noch geltenden Sprachgebrauch war das ein „Großer“. Später entstanden durch Heirat, Erbschaft u.a. Halb- und Viertellehen, die „Kleinen“.
Der Lehensherr , z.B. die „Herrschaft“, war der Obereigentümer, der Lehensmann , also der Bauer, war der Untereigentümer. Er war dem Lehensherrn zinspflichtig durch Robot, Zehent u.a., vergleichsweise in der Form wie wir heute steuerpflichtig sind.
Von Bedeutung ist die Herkunft der Siedler. Aufzeichnungen darüber gibt es nicht. Tatsache ist, dass wir mundartlich ein unverfälschtes Bairisch sprechen, reiner als es heute in Bayern selbst gesprochen wird. Es ist daher naheliegend, dass die Besiedelung von jenseits der Enns aus erfolgte. Bis zur Enns reichte damals das bayrische Mutterland.
Erstmalige Nennung von Breitensee 1196
Die erste urkundliche Erwähnung unseres Dorfes stammt aus 1196. Im Codex Traditionis werden die Besitzrechte des Stiftes Klosterneuburg dargestellt und unser Ort im Zusammenhang mit „duo beneficia Praitinse“ (zwei Benefizien Breitensee) genannt.
1216 und 1219 wird auf die beiden Besitzungen abermals Bezug genommen. Abt Wisento aus Klosterneuburg übergibt sie in Übereinstimmung mit dem ganzen Kapitel als Lehen Herrn Heinrich Toschil (Klosterneuburger Stiftsarchiv Nr. II Fol. 36) (3)
Die beiden Lehen werden nicht weiter beschrieben, es wird bloß gesagt, dass sie bei Breitensee liegen.
Unter „beneficium“ ist ein Zinslehen zur Nutzung und Bearbeitung an bäuerliche Leute gegen Leistung von Diensten oder Abgaben zu verstehen. (9)
Ob die Überlegung, dass es sich bei diesen Gütern um den heutigen Salmhof und den Markhof (Satzling) gehandelt hat, abzulehen ist? Die Güter haben zweifellos eine größere Ausdehnung gehabt, das Klosterneuburger Domkapitel hätte sich sonst kaum mit ihnen beschäftigt.
Eine Nennung der „duo beneficia“ im Zusammenhang mit Marchegg konnte damals nicht erfolgen, weil Marchegg erst 1278 gegründet worden ist.
Das kirchliche Leben
So entstanden um die Mitte des 11. Jahrhunderts Urpfarren, aus denen durch Teilung neue Seelsorgebezirke entstanden. Unsere Urpfarre – auch Mutterpfarre genannt – war Weikendorf.
Weikendorf selbst wird urkundlich 1113 erstmalig genannt.
Aus dieser Pfarre gingen hervor:
Markgrafneusiedel – 1224 (war vorerst grundherrlich, d.h. vom Grundherrn, dem
Markgrafen Siegfried (?) schon vorher als Kirche gegründet
Lassee – wird 1232 der Mutterpfarre gleichgestellt, bestand also
schon früher.
Schönkirchen,
Obersiebenbrunn,
Untersiebenbrunn, (wiedererrichtet 1784)
Oberweiden,
Zwerndorf,
Gänserndorf, (wiedererrichtet 1783)
Markthof, (wiedererrichtet 1783)
Prottes, (wiedererrichtet 1783)
Groißenbrunn, (wiedererrichtet 1783)
Breitensee, (wiedererrichtet 1784)
Mit Ausnahme von Zistersdorf gibt es in unserem Bezirk keine Urkunden, die über die Errichtung der neuen Pfarren schreiben. Erbauungszeit der Kirchen und Einrichtung der Pfarren können aufgrund verschiedenster Fakten bloß erschlossen werden. (1h)
Universitätsprofessor Dr. Klaar zählt die Breitenseer Kirche zu den frühgotischen Bautypen aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts und sagt, „dass die große, noch romanisierende Anlage ebenso wie jene in Waidendorf und in Haringsee stark umgebaut wurde“. (4)
Pfarrer Augustin Schenk stellt 1909 in der Pfarrchronik fest: „Als am 14. November der Totengräber das Grab für den Steinberg nach Breitensee überführten Martin Palleschitz besorgte, stieß er in der Tiefe von etwas 1 m auf mächtige Mauerreste und konnte nur schwer das Grab fertig machen. Ich erkundigte mich bei den Leuten, ob man darüber mehr wüsste, und man sagte mir, dort wäre einmal eine Kapelle gestanden. Weiter nachzugraben unterließ ich, weil es mir an dem nötigen Geld mangelte.“
Familie Kommerzialrat Franz Bibersteiner ließ im Zuge der Feier „400 Jahre Breitensee“ 1979 auf eigene Kosten die entsprechenden Grabungen durchführten. Das Ergebnis war verblüffend. Es brachte in Verlängerung der Apsismauern der jetzt bestehenden Kirche – also Richtung Osten – ein „massives Fundament aus Feldsteinen von 1,30 m Tiefe und 1m Breite“ zum Vorschein. (3)
Auf diesem Fundament ruht zum Teil die Apsis der heute bestehenden Kirche.
Die Außenmaße dieses Fundaments betragen 13m mal 6,5 m. Ob und wieweit diese Grundmauern auch das Fundament des Turmes bilden, könnte erst durch eine neuerliche Grabung festgestellt werden.
Die Zeit der Errichtung der Fundamente sowie deren Proportionen und des sicherlich darauf errichtet gewesenen sakralen Bauwerkes, entsprechen in Bauweise und Proportion jener Kirchen, die vorher genannt wurden.
Für unser Land sind die einstigen Wehrkirchen typisch. Sie stehen entweder auf einem Hügel innerhalb des Dorfes – wie etwa in Lassee – oder wurden außerhalb des Dorfverbandes errichtet, was für Breitensee zutrifft. Wehrkirchen hatten Wall und Graben, Untersiebenbrunn hatte beispielsweise ebenso wie Lassee drei Wälle.
Bei uns ist noch der Rest eines Walles erkennbar. Es ist das die Geländestufe etwa 30 m von der heutigen Friedhofsmauer auf der Nordseite Richtung Ost-West. (4)
Wehrkirchen gab es vor allem in den Orten, wo keien Burg vorhanden war. Jedes Dorf hatte für seine Sicherheit vorerst selbst aufzukommen. Nur bei großer Feindgefahr – durch Beobachter angekündigt oder von den Herrschaften avisiert und befohlen – wurden gut ausgebaute Fluchtorte aufgesucht. Für Breitensee mögen da in Frage gekommen sein die Stadt Marchegg oder die große Wehrkirche Lassee.
Gotteshaus und Friedhofsmauer eigneten sich auch deshalb ganz besonders zur Verteidigung, wie das gläubige Volk schon aus innerem Drange in diese geheiligte Stätte flüchtete.
Die Hauptlast der Verteidigung hatte die Friedhofsmauer zu tragen. Neben den vorgelagerten Wällen wies sie Pfahlwände und Flechtwerk auf, auf deren Erhaltung und Instandsetzung die Herrschaften stets drängten.
Unsere heutige Friedhofsmauer ist mit der ursprünglichen Mauer nicht identisch. Die Lage der Kirche außerhalb des Dorfes hatte einen wehrpolitischen Grund. Dem Feind war so die Möglichkeit genommen, aus der Deckung naher Häuser anzugreifen, zudem konnte die Kirche nicht durch einen Brand des Dorfes gefährdet werden.
Wie unsere Kirche ursprünglich ausgesehen hat, ob und welcher Art der Turm war, könnte selbst durch Grabungen im Kircheninneren nur mangelhaft festgestellt werden. Ihre spätere Zerstörung (um 1480?) war derart gründlich, dass kein Stein auf dem anderen blieb.
Bezüglich Aussehen dieser Kirche sind am ehesten Vergleiche mit dem Altteil der Kirchen in Baumgarten/March oder Witzelsdorf, die auch größenmäßig den Breitenseer Restfundamenten nahe kommen, zielführend.
Erdställe
Das sind unterirdische Gänge und Höhlen, direkt unter den Häusern und Höfen, oft mit einem versteckten Ausgang und zu einer Wasserstelle führend. Erdställe sind nicht so alt wie die Wehrkirchen, sie entstanden meist in der früheren Neuzeit, also im 15. und 16. Jahrhundert. (1g)
In Breitensee wurden diese Erdställe noch nicht erforscht, sie sind aber der Bevölkerung bekannt. Im Haus Nr. 19 wurde ein solcher Stall 1922 beim Brunnengraben entdeckt. Gänge von den Häusern Nr. 23 und 43 – beide zum nun verschütteten Gemeindebrunnen führend – von oben erkannt werden.
Wie oft unsere Kirche von unseren Vorfahren verteidigt wurde, wie oft sich die Bewohner in die Erdställe flüchten mussten, ist urkundlich nirgendwo festgehalten.
Breitensee von 1150 – 1579
Namhafte Geschichtsforscher bezeichnen das Marchfeld als die größte Schädelstätte Europas. Es gäbe hier keinen Quadratmeter Boden – so heißt es – auf dem ein Mensch infolge kriegerischer Ereignisse nicht sein Leben hätte lassen müssen.
Dörfer wurden vernichtet und wieder besiedelt, andere Orte verödeten aus wirtschaftlichen Gründen, epidemische Krankheiten überfluteten das Land, Zeiten, wo friedensmäßig am Aufbau der Heimat gearbeitet werden konnte, waren kurz und rar.
So waren es vorerst die Ungarn, die 955 auf dem Lechfeld zwar geschlagen wurden, die aber weiterhin versuchten, die Babenbergermark in Besitz zu nehmen.
Ernst der Tapfere, Leopold der Heilige sowie Friedrich der Streitbare – um nur einige zu nennen – hatte heftige Kämpfe mit ihnen auszutragen, um das Land behaupten zu können. Häufig drangen hiebei kleinere ungarische Streifscharen auf Beutezug über die Grenze. Die betroffenen Dörfer mussten sich hiebei selbst verteidigen.
Wehrkirchen und Erdställe erschienen so als höchst erforderliche Einrichtungen.
Oft wurden solche Einfälle den Dörfern zum Schicksal, ohne dass die „große Politik“ davon Kenntnis genommen hätte.
Aus der Schau der Ungarnkriege ist auch die Schlacht bei Groissenbrunn (1260) zu beurteilen. Der Ungarnkönig Bela IV. versuchte Ottokar von Böhmen unser Land zu entreissen. Wir wissen, dass die Ungarn geschlagen wurden, niemand berichtet aber darüber, was die umliegenden Dörfer und deren Bevölkerung an Grausamkeit der Soldaten, Requirierungen und allem anderen, was das Kriegsvolk an Häßlichkeit mit sich brachte, leiden, dulden und opfern mussten.
Kaum viel anders wird es 1273 gewesen sein, als Rudolf von Habsburg als Deutscher Kaiser, jetzt im Verein mit den Ungarn gegen Ottokar zog. Rudolf sammelte sein Heer in Marchegg, wobei allein schon aus technischen Gründen sicherlich auch die umliegenden Orte, also auch Breitensee, mit Einquartierung u.a. bedacht werden mussten.
Im 15. Jahrhundert waren es dann die Hussitten (Tschechen), welche, nachdem ihr Reformator Johannes Hus 1415 in Konstanz als Ketzer verbrannt worden war, eine Kampf- und Rachegemeinschaft gegen alles was Deutsch war, bildeten. An ihrer fanatischen Kampfeswut und an ihren Wagenburgen zerschellten vorerst alle gegen sie gesandten Truppen. Ob Breitensee von dieser Auseinandersetzung direkt betroffen war, ist nirgendwo erwähnt. Urkundlich belegt ist bloß die Zerstörung von Stillfried.
Um 1440 sind innerdeutsche Thronstreitigkeiten die Ursache, dass böhmische Söldnerführer und heimische „Ritter“ sich stark machten und von Theben-Neudorf-Markthof (Ludwenko), Schloss Niederweiden (Leonhard Arberger) und Orth (Konrad Fronauer) aus das Land ausraubten. „Sie nahmen den Bauern nicht nur Vieh und Lebensmittel, sondern auch Kleider und Schuhe ….“ Was sonst noch geschah, wird schamhaft ver-schwiegen.
Das schwerste und für Breitensee möglicherweise entschei-dende Jahr war 1492, als der Ungarnkönig Matthias Corvinius im Streite gegen den römisch deutschen Kaiser Friedrich III. gegen Wien zog. Die Chroniken berichteten, dass auf diesem Kriegszug 40 Orte in Schutt und Asche gelegt wurden. Namentlich könnte aber dabei gewesen sein, und die Zerstörung der alten Breitenseer Kirche ist möglicherweise damals erfolgt. Bei diesem Kriegszug handelte es sich um eine sehr große feindliche Streitmacht, für die eine Wehrkirche von der Größenordnung der Breitenseer Kirche keineswegs ein Hindernis gewesen wäre.
Für die Zerstörung der ersten Breitenseer Kirche spricht allerdings auch ein anderer Zeitpunkt. Siehe Bethlen Gabor-Reformation!
Türkennot
Am 24. 9. 1525 wird in einer Urkunde im Archiv Kreuzenstein (499) festgelegt, dass:„Hans Mair der 2. Gatte Stefan Reuter zu Praitensee 1 Weingarten in der …..gegend verkaufen darf“
Die Geschworenen Leonhard Pflugler
Hans Rauser
Wolfgang Engspessl
Steph. Griesmeir
1529 wälzt sich das Hauptheer der Türken südlich der Donau gegen Wien. Türkische Streifscharen – „Akindschi“ genannt – brechen in das Marchfeld ein. Ihre Aufgabe ist es, die Verpflegung des Hauptheeres sicher zu stellen. Sie kommen diesem Auftrag raubend, plündernd und brandschatzend nach, töten was ihnen unterkommt, nehmen Knaben sowie junge Mädchen mit. Erstere werden zu „Janitscharen“ (Elitesoldaten) ausgebildet, die Mädchen werden Sklavinnen. Großenzersdorf und Oberweiden gehen in Flammen auf.
Über Breitensee gibt es keine direkten Aufzeichnungen, die Menschenverluste müssen allerdings hier außergewöhnlich groß gewesen sein und sind sicherlich die Ursache, dass das Dorf später zusätzlich mit Kroaten besiedelt wurde.
Über das eventuelle Vorhandensein einer Kirche in Breitensee mag die Präsentationsurkunde für den neuen Pfarrer von Marchegg aus dem Jahr 1506 Auskunft geben. Der Abt von Melk bringt darin Johann Findl als neuen Pfarrer von Marchegg in Vorschlag. Er beschreibt dessen seelsorgerische Aufgaben. Von einer Kirche, Filialkirche oder von einer seelsorgischen Mittbetreuung unseres Dorfes sagt er nichts.
1541 scheint im Gildenbuch V-UWW 349 Praitensee im Marchfeld wieder auf. Allerdings mit dem für uns unverständlichen Vermerk: „1 Haus zu Wien über Burgkapelle ausstorben.“
Ansiedlung von Kroaten 1579
Die Grundherrschaften bemühten sich deshalb, neue Ansiedler zu gewinnen. Die Motivation hiezu mag für deutsche Bauern in dieser Zeit gering gewesen sein, und so griff man auf Kroaten, die aus religiösen Gründen vor den Türken geflüchtet, die streng katholisch waren und sich in Auffanglagern auf italienischem Boden befanden, zurück.
So stiftete hier Graf Niclas Salm, ein Enkel des Befreiers von Wien aus der Türkenbelagerungszeit, Herrschaftsinhaber von Marchegg, in Breitensee zusätzlich zu der vorhandenen deutschen Bevölkerung 12 Bauernhöfe, die mit Kroaten besiedelt wurden, und die naturgemäß der Herrschaft Marchegg zinspflichtig waren. Auch die meisten anderen Marchfelddörfer, wie Lassee, Schönfeld, u.a. wurden damals mit Kroaten aufgefüllt.
Wer sind die Kroaten?
Nach italienischen und kroatischen Forschungen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, sollen sie ein ostgotischer Stamm sein, der die Wanderung seines Volkes im 3. Jahrhundert (Völkerwanderung) nicht mitgemacht hat. Von den nachrückenden Polen wurde dieser Stamm der Sprache nach slawisiert, hat sich aber blutmäßig rein erhalten. Im 6. Jahrhundert trat er den gleichen Weg – wie vorher schon die Ostgoten – nach dem Westen an und gelangte im 7. Jahrhundert in sein heutiges Siedlungsgebiet.
1527 kamen die Kroaten mit der Wahl Ferdinands zu ihrem König in den Verband des römisch deutschen Reiches. Sie hielten in der schweren Zeit der Türkengefahr die sogenannte Militärgrenze und zählten zu den verlässlichsten und auch tapfersten Soldaten. Dass Kroaten zudem tüchtige Bauern sind, haben sie in der Zeit ihres Hierseins bewiesen.
Leider war Breitensee und damit auch den Neuangesiedelten keine lange Friedenszeit beschert. Die Reformation fand bei uns Widerhall, auch Graf Salm sympatisierte mit dem neuen Glauben.
1619 erhob sich der protestantische Adel mit der Waffe gegen Kaiser Bethlen Gabor (Ungar) zu Hilfe kam. Über die von seinen Soldaten hier verübten Greueltaten berichtet ein Brief, den Kaiser Ferdinand am 5. Dezember 1619 an den Kürfürsten Georg von Sachsen gerichtet hat: „… der Feind hat vor wenigen Tagen seinen Abzug genommen, zuvor aber, zumals die Ungarn an denen Orten, wo dieselben ihre Quartier gehabt, alles in Grund verwüstet, ausgebeutet und verbrannt, die Leut, wie man zu sagen pflegt, fast bis in den letzten Faden ausgezogen, spoliert (beraubt – Anmerkung des Verfassers), niedergehaut, eine große Anzahl derselben unerhörte Tormente zur Erforschung Gelds und Guts angelegt, unsäglich viele junge Knaben von 12 bis 16 Jahren mit sich fortgeführt, der Schwangeren und anderen Weibsbildern sich also missbraucht, dass derselben auf den Landstraßen allenthalben viel tot gefunden werden, die Mannspersonen aber mit Stricken um die Köpf also gerädelt, dass ihnen die Augen aus dem Kopfe herausliegen;…“
Es ist nun möglich, dass die alte Breitenseer Kirche erst in dieser Zeit von den Soldaten Gabors vernichtet wurde. Auch diesmal stand ja wieder ein verhältnismäßig großer und schlagkräftiger Feind zur Verfügung, der in der Lage gewesen wäre, einen Breitenseer Widerstand ohne Schwierigkeiten zu brechen.
1618 – 1648 Der Dreißigjährige Krieg
Pfarrer Laurenz Schuster – der erste Local Kaplan von Breitensee schreibt 1878 in der Pfarrchronik, dass bei der Renovierung der Pfarrkirche neben großen Wandmalereien (Erzengel Michael in Lebensgröße, Anbetung der Hl. 3 Könige, Allerheiligste Dreifaltigkeit) auch eine Schrift zum Vorschein kam. Sie lautete:
Michael Marenitsch, Erbauer der Kirche 1638
Auf der Außenseite des Giebels zwischen Kirchenschiff und Vorhalle war bis in die jüngste Zeit die Jahreszahl 1629 zu lesen. Auf einer Fensterscheibe oberhalb der Sakristeitür – so können sich heute noch ältere Bewohner erinnern – stand die Jahreszahl 1630. Damit ist die Erbauung der Kirche in der heutigen Form (ohne Voraus) festgelegt. 1629 bis 1638 das sind 9 Jahre, was ein Zeitraum ist, der für die Fertigstellung einer Kirche dieses Ausmaßes einschließlich der inneren Gestaltung glaubhaft erscheint.
Ob Breitensee nach der Fertigstellung der Kirche einen Pfarrer erhielt und ob es auch eine eigene Pfarre wurde, ist nirgends festgehalten.
Von besonderer Beachtung ist die geschichtliche Zeit, in der das Gotteshaus errichtet wurde. Es war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Breitensee, und mit ihm das gesamte Marchfeld, war bis dahin von Kriegshandlungen verschont geblieben. Aber schon 1645 besetzten die Schweden Marchegg. Sie hatten sich inzwischen unter ihrem Feldherrn Torstenson und Kanzler Oxenstierna zu „verwilderten Soldaten, zu Strauchdieben und Mördern“ entwickelt.
Vom Schrecken, den sie unter der Bevölkerung hinterließen, berichten uns Sprüche und Liedchen wie etwa dieses:
Bet‘ Kindl, bet‘
morgen kommt der Schwed‘,
morgen kommt der Oxenstern,
der wird dich schon beten lehr’n.
Die Schweden sein kommen,
habn alles mitgnommen,
habn Fenster eing’schlagen
und’s Blei davon trag’n
hab’n Kugeln draus ‚gossen
und d’Bauern derschossen.
1659 Breitensee, eine eigene Pfarre
Die Pfarre ist damals allerdings unbesetzt, der Pfarrer von Marchegg ist mit der seelsorgischen Führung Breitensees betraut. Dieser Umstand ist ja bis in die Gegenwart wiederholt eingetreten.
1663 wird die Pfarre Marchegg mit den Aufgaben sowie mit den Einkünften genau beschrieben. In dieser „Specifikation aus dem Pfarrhof Marchegg“ heißt es, dass außer der Kapelle im Schloss „sonst ist keine Filialforkirch“.
Breitensee müsste also zu dieser Zeit einen eigenen Pfarrer gehabt haben!
1666 scheint in der „ Matrikel für Niederösterreich“ Breitensee allerdings wieder als Filialkirche von Marchegg auf.
1671 heißt es in einer Aufzeichnung über Beschaffenheit und Vermögen der Kirche von Marchegg: „Filialis Ecclesia in praitensee. Die Filialkirche in Breitensee ist ab Anno 65 auch durch mein Fleiß und meines Capellanss erst zugerichtet worden, hat weder Capital noch Interesse als das sambi – und bettelgeld, alte verneuerte Messgewänder und notdurft zur bedienung.”
Michael Gabriel Kempf
Pfarrer von Marchegg
1682 scheint Breitensee abermals als Filialkirche zu Marchegg gehörig auf, im Visitationsbericht heißt es:
“Die Filialkirche zu Breitensee , die zur Pfarre Marchegg gehörig – die Kirchen St. Peter und St. Pauli, die zu Breitensee ist, ist eine vor diesem eigene Pfarre gewesene, wie darum defacto ein Pfarrhof vorhanden, 4 ½ Joch dazugehörig.“
Die Frage, wo dieser erste Pfarrhof gestanden ist, kann mangels geeigneter Unterlagen nicht beantwortet werden. In der erst 1814 begonnenen Pfarrchronik (Local Kaplan Ignaz Halada) heißt es „Der alte Pfarrhof soll in der Lücke zwischen No.41 und No.42 gestanden sein, wo noch einige Rudera (Reste) existieren“.
In diesem Zusammenhang ist der Hinweis des Chronisten der gleichen Quelle interessant. Er schreibt von einem Taufstein, der aus der alten Kirche stammen soll und der jetzt beim Brunnen im Pfarrhofe „appliciert“ sei.
Hier handelt es sich wohl um den Taufstein, der z. Z. in der Kirche in Verwendung steht. Dieser Taufstein (Taufbecken besser gesagt), kann aus der 1629 bis 1638 erbauten Kirche, seinem Stil nach aber ebenso gut aus der Zeit der ersten, ursprünglichen Kirche stammen und wäre somit der älteste Bestand der Kirche Breitensee.
Die Selbstständigkeit der Pfarre Breitensee war gemäß den vorhandenen Urkunden zeitlich von kurzer Dauer. Warum?
Entscheidende kriegerische Ereignisse hat es in dieser Zeit nicht gegeben, solche, welche die Bevölkerung stark dezimiert hätten. So bleibt als Erklärung die epidemische Krankheit „Pest“, die damals wütete und die Bevölkerung entscheidend verringerte.
Dieser Meinung schließt sich auch das Wiener Diözesanblatt 1899/93 an, wo es heißt: „Breitensee blieb eine eigene Pfarre bis 1683, wo die Pest solche Verheerungen unter den dortigen Bewohnern anrichtete, dass die Pfarre einging und die wenigen Übriggebliebenen der Pfarre Marchegg zugewiesen wurden.“
1683 – die Türken kommen wieder
Binnen weniger Tage brannten alle Orte von Jedenspeigen bis Markthof. Was noch auf dem Felde stand, gehörte dem Feind. Marchegg wurde entvölkert, die meisten Bewohner erschlagen oder in Gefangenschaft geführt. Erst 1631 wurde die Stadt – hauptsächlich mit Schwaben – neu besiedelt.
In Breitensee wird das Urteil ähnlich gewesen sein. Ob aber hier ein Zuzug aus deutschen Landen erfolgte, ist unwahrscheinlich; eher waren es wieder Kroaten, von denen wir wissen, dass 1739 eine letzte Zuwanderung erfolgte. Diese ging allerdings nach Loimersdorf.
Wahrscheinlich war es so, dass sich die Herrschaften, wie auch nach früheren Katastrophen, mit Erfolg bemühten, die Verluste der Bevölkerung durch neue Zusiedler, die ja gleichermaßen auch zinspflichtig waren, ehestens aufzufüllen.
Die Kuruzzen in Breitensee (19. März 1706)
Die Rebellen legten sich, wegen der ihrer Meinung nach „heiligen Sache“ den Namen Kreuzfahrer bei. (cruciati = Kuruzzen).
Rakoczy ließ sich zum ungarischen König ausrufen und drang mit seinen Anhängern (Insurgenten) in das Weinland und in das Marchfeld ein. An der March entlang standen zwar kaiserliche Reiterabteillungen, diese vermochten es aber nicht, die blitzschnell auftauchenden und zahlenmäßig überlegenen Feinde abzuwehren. Von 1701 bis 1711 drangen sie Jahr für Jahr ein, plünderten, raubten, töteten und verschwanden wieder. Während vorerst nur kleinere Streifscharen ihr Unwesen trieben, die leichter abzuwehren waren, und wo die Bevölkerung in ihren Erdställen oder in der (Wehr)Kirche einigen Schutz fand, kamen sie später als militärisch organisierte und wohlausgerüstete Truppe.
Am 19. März 1706 erschienen sie mit 8.000 Mann vor Lassee, wo sie vergeblich die tapfer verteidigte Kirche berannten. (5) Der damalige Pfarrer Peter Amadeus Zimmermann schildert anschaulich den Abwehrkampf, an dem er maßgeblich beteiligt war. Bei ihrem Abzug zündeten die Kuruzzen Lassee an, ebenso Haringsee, Groissenbrunn und Breitensee.
Erst 1711 – Rakoczy hatte sich zum Zaren der Russen begeben, um ihn für sich zu gewinnen – gewann die Friedenssehnsucht unter seinen Anhängern Oberhand und die bereits laufenden Verhandlungen kamen zu einem Abschluss.
Für 100 Jahre kehrte nun in unserer Heimat Friede ein.
Papst Inozenz XI. stiftete zur Erinnerung an die letzten Endes siegreich bestandene Türkengefahr das Maria Namen Fest. (12. November).
Aus dieser Zeit stammt auch das Fluchwort „Kruzitürken“; man wollte damit Abscheu und Widerlichkeit von den Gegnern dieser Zeit ausdrücken. Über Breitensee gibt es – abgesehen von der urkundlichen Aufzeichnung der Brandschatzung des Dorfes keine weiteren Nachrichten.
Erst 1725 meldeten sich Breitenseer wieder.
Im Consistoria Protokoll 1725/I –Resp. 238 der Erzdiözese Wien lautet ein Vermerk : “Richter und Gemeinde bitten in Anhörung ihrer Bitte, wie auch ihrer Kinder nicht teutsch verstünden, ihnen einen der kroatischen Sprache kundigen Vicarium und zwar Überbringer dieses zugeschicken. Dem Dechant nach Vernehmung des Orts- Pfarrern ein erforderlichen Bericht.“
Das verwendete Deutsch ist klobig, die Schrift schwer lesbar. 1725 bitten also die Breitenseer um einen Vikar, der kroatisch spricht. Wie und ob entschieden wurde, konnte nicht herausgefunden werden.
Unter Vikar versteht man den Gehilfen (Vertreter) eines Pfarrers oder einen Cooperator expositus, wenn es sich um den auf einer Filiale weilenden Geistlichen handelt; der Pfarrer ist dann Inhaber mehrerer Pfründe.
In verschieden Schriftstücken aus der späteren Zeit wird gesagt, dass in Breitensee einmal ein kroatischer Pfarrer gewesen sein soll. Ein Beweis hiezu konnte bisher nicht erbracht werden. Vielleicht ist obiges Schriftstück die Ursache dieser Aussagen.
Die josephinische Pfarrgründung 1784
Im weiteren Bestehen der Pfarre ist allerdings eine Abhängigkeit von Marchegg erkennbar. Sie endete damit, dass 1683 die völlige Zuweisung dorthin erfolgte. Die Pest hatte unter der Bevölkerung derart gewütet, dass für die geringe Zahl der Übriggebliebenen die Führung und Erhaltung einer eigenen Pfarre nicht mehr zu vertreten war.
Es ist verständlich, dass die Bewohner, nachdem die sich zahlenmäßig wieder erholt hatten, auf die Errichtung einer eigenen Pfarre drängten. Der Weg nach Marchegg war beschwerlich und infolge häufigen Hochwassers oft nicht gangbar. Älteren Leuten war es darum nicht immer möglich, wenigstens den sonntägigen Gottesdienst zu besuchen.
Es fragt sich, warum die kirchliche Behörde nicht schon früher den sicherlich schon früher vorgetragenen Wunsch des Dorfes erfüllt hat?
„Hatte Breitensee also grundsätzliche Einrichtungen für die Schaffung einer eigenen Pfarre zur Verfügung, so scheiterten die Versuche bisher wohl auch an der geringen Bereitschaft auch der Priester, in dem an und für sich sehr entlegenen Gemeindebereich als Pfarrer zu wirken. Mitentscheidend in dieser Frage waren zweifelsohne auch die zu erwartenden nur geringen Einnahmen aus der nicht allzu begüteterten Landgemeinde. Sicherlich kein Grund zur bisherigen Nichtbesetzung von Breitensee war die geringe Zahl von katholischen Gläubigern, denn spätere Ausweise über die Religionszugehörigkeit vermitteln das statistische Bild einer fast nur aus Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche bestehenden Dorfgemeinde.“
Die Marchegger Grundherrschaft – Fürst Palffy-Erdöd – stand der Errichtung einer Pfarre stets wohlwollend gegenüber.
Joseph II. (Deutscher Kaiser von 1780 – 1790) war davon überzeugt, dass der wöchentliche Kirchenbesuch sich auch sehr deutlich auf die sittliche Grundhaltung der Bevölkerung auswirken werde. Er glaubte also religiöse Anliegen mit staatsbürgerlichen Zielsetzungen verbinden zu können. Durch intensive pfarrliche Betreuung sollte auch das kulturelle Interesse in dem Gemeinden besonders geweckt und gefördert werden.
Ohne auf die Reformen Joseph II. weiter einzugehen – viele Reformen mussten ja später wieder zurückgenommen werden – muss man es diesem von hohen Idealen beseelten Herrscher zugute halten, dass sehr viele Pfarren auf seine Veranlassung hin neu errichtet wurden (insgesamt 83).
Aus dem Hofdekret vom 20. Juli 1783 können wir – allein auf das Marchfeld bezogen – entnehmen:
Im Dekanat Orth sind folgende Änderungen durchzuführen:
„Breitstetten (460 Einwohner mit Straudorf) hat nach allerhöchstem Befehl Gemäßheit einen eigenen Seelsorger in der Qualität eines Pfarrers oder Local-Caplans anzustellen Kiemerleinsdorf (=Franzensdorf) mit Rutzendorf und Andlersdorf einen Pfarrer
Jedlesee mit 400 Seelen einen Lokal-Caplan
Matzen mit 655 Seelen einen Pfarrer
Breitensee mit 419 Seelen einen Local-Caplan
Weidendorf mit 1200 Seelen samt Velm-Götzendorf einen Pfarrer
Groß- und Klein Prottes mit 406 Seelen einen Local-Caplan
Unter Gänserndorf (=Gänserndorf) mit 435 Seelen einen Local-Caplan
Zwerndorf mit 495 Seelen und Baumgarten (mit 299 Seelen – gehören zum Stifte Melk) einen Pfarrer“
Breitensee war also vorerst eine Lokalkaplanei. Das ist ein zu einer Pfarrkirche gehöriges Gotteshaus, das nach dem Kirchenrecht von einer Mutterpfarre (=Mutterkirche) abgetrennt ist, also eine ganz oder teilweise selbstständige Kirche. Für Breitensee war die Mutterkirche Marchegg, die Lokalkaplanei wurde ganz selbstständig.
Unterschiedlich von der Lokalkaplanei ist die Filialkirche (ecclesia filialis).
Diese wird von der Mutterkirche aus mit einem Vikar besetzt; sie gleicht einer Seelsorgestation, die von der Mutterkirche (=Hauptkirche) aus betreut wird. Pfarrliche Verrichtungen – z. B. Führung der Pfarrmatrik, Cirkulare des Konsistoriums, Verkündigungsbücher u.a. – werden von der Filialkirche nicht geführt. Man stellt sich unter ihr am besten ein Gotteshaus im Sinne einer Kapelle vor. (9)
In der Bedeutung der Priester gab es Unterschiede:
Für einen Pfarrer war ein Jahresgehalt von 600 fl (Gulden), für einen Lokalkaplan ein solches von 350 Gulden aus dem von Josef II. geschaffenen Religionsfond bestimmt. Ein an die Pfarre zugeordneter Cooperator erhielt 250 fl.
Am 12. Juni 1784 schreibt Carl Graf Palffy als Herrschaftsinhaber von Marchegg an den zuständigen „Hochwürdigen hochgeborenen Fürsten und Herren Josef Exempten Bischof und der Heil. Röm. Reiches Reichsfürsten zu Passau“ einen Brief, des Inhaltes, dass die vorhin zu Marchegg gehörige Local-Caplaney auf allerhöchsten Befehl seiner Kayserlich Königlich Apostolischen Majestät zu einer eigenen Local-Caplaney erhoben, dass ihm das Patronatsrecht eingeräumt wurde und er nun bittet, den früheren Cooperator von Marchegg Gotthard Bartusch auf die Local-Caplaney Breitensee zu investieren und zu installieren.
Dieses Ansuchen brachte die Entscheidung über die Besetzung der neuen Pfarrstelle.
Lokal-Kaplan Bartusch wurde am 21. Juli 1784 durch den Bischof von Passau investiert und bald darauf durch den zuständigen Orther Dechant Ludwig Robl installiert.
Für Breitensee war durch die josephinische Reform ein neues Zeitalter auf dem kirchenlichen Sektor angebrochen.
Die Pfarrherren von Breitensee 1784 – 1848
- Gotthard Bartusch (1784 – 1788)
Lokalkaplan Bartusch war vorher Kooperator in Marchegg und aufgrund der damit verbundenen seelsorgischen Tätigkeit in der zu Marchegg gehörigen Kirche Breitensee hierorts nicht unbekannt. So bot er die beste Voraussetzung, die schwierige Aufgabe des Schaffens einer neuen Pfarre durchzuführen.
Im Visitationsbericht der Passauer Diözese 1682 scheint Breitensee als eigene Pfarre, versehen mit den notwendigen Einrichtungen – also auch mit einem Pfarrhof – auf. Dieser Pfarrhof bestand jetzt nicht mehr, ein neuer musste gebaut werden. Bis das geschehen war, „wird als vorläufige Zuflucht das Haus des Bauern Gregor Pattenschitz Nr. 11 angegeben, wofür die Herrschaft Marchegg den Zins in der Höhe von 44 fl und 30 kr bezahlte“.
Graf Palffy erweist sich als großer Förderer der Lokalkaplanei, schon 1785 ist der neue Pfarrhof, den er auf seine Kosten bei Mitarbeit der Bevölkerung des Dorfes errichten hat lassen, bezugsbereit. „Der Pfarrhof ist mit Schindeln gedeckt und enthält zu ebener Erde zwei geräumige Zimmer samt einem Gesindezimmer, auch eine Küche, worin ein Backofen angebracht ist, weiters eine Speis‘, einen kleinen Keller.
….Der (Dach)-Boden dient zur Behältnis der Fütterung für das Rindvieh. Links befindet sich die Stallung, welche mit Schindeln gedeckt und vier Stück Kühe drinnen stehen können.
Rechts ist eine von Holz erbaute Holzschupfe, mit Schindeln gedeckt und letztlich befindet sich mitten im Hof ein Pumpenbrunnen. Beim Pfarrhof befindet sich ein Hausgarten mit 1200 Quadratklafter (=2.300 Quadratmeter) rings mit einer Planken eingefangen und mit verschiedenen Obstbäumen besetzt.“
Aus all dem kann man schließen, dass die damaligen Pfarrherren gewirtschaftet haben, und dass hiebei das Pfarrhausdach als Heuboden diente.
Lokalkaplan Bartusch erweist sich als äußerst reger und interessierter Pfarrer, der mit Eifer und mit Erfolg das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen versteht:
Die Kirche wurde renoviert und mit neuen Bänken versehen, aus der Loretto Kapelle Marcheggg wurde der aus Holz angefertigte Kirchenchor mitsamt der Positiv Orger nach Breitensee gebracht und schon im Dezember 1785 neu aufgebaut.
Auch die Errichtung der ersten Breitenseer Schule fällt in seine Amtszeit; sie wurde 1788 fertiggestellt, vom Marchegger Maurermeister Scheidl erbaut, wobei die Bewohner von Breitensee Hand- und Zugrobot leisteten.
Kaplan Bartusch bezog ein Jahresgehalt von 350 fl. (Gulden = der „guldene“ Pfennig, hatte 60 kr = Kreuzer.) Der Viertelgulden mit 15 kr galt allgemein als Entlohnung für 1 Tagesarbeit.
Auch die Abgaben, die Breitensee für die Feier der Gottesdienste zu bezahlen hatte, wurden festgelegt:
- Dem Seelsorger zu seiner besseren Subsistenz jährlich 40 Metzen Korn (= etwa 2.500 kg) anzuweisen, welches sie beim Richter zusammenbringt, der es dann dem Local-Seelsorger
übergibt.
- Demselben viermal des Jahres unentgeltlich nach Wien und zurück führen und
- Den Krautacker jährlich unentgeltlich zu beackern, und mit Pflanzen, welche sie selbst hergeben, zu besetzen, denselben reinigen und das Kraut nach Hause führen. Schließlich ist das Brennholz, welches sich der Lokalkaplan selbst anzuschaffen hat, unentgeltlich zuzuführen.
Alles in allem war die Pfarre gut dotiert, es hat sich allerdings in der Zukunft gezeigt, dass die Gemeinde nicht immer imstande war, alle Leistungen zu vollbringen. Lokalkaplan Bartusch starb am 24. Juli 1788 nach „10 Tagen standhaft ausgehaltenem Faulungsfieber“. (10)
Das Begräbnis hielt der Stadtpfarrer von Marchegg Josef Sporrer. Die Teilnahme der Bevölkerung war groß, das Grab liegt links neben der Haupteingangstüre, überbaut von dem 1850 unter Pfarrer Newolka errichteten Vorhaus.
Errichtung des Bistums Wien (1785)
In der verwaltungsmäßigen Organisation der Kirche trat eine entscheidende Veränderung ein. Josef II. war es durch unermüdliche Bemühungen gelungen, ein neues Bistum für Österreich unter der Enns zu schaffen. In der Lokalchronik lesen wir darüber:
„Anno 1785 ist die Paussauische Diezoes den 26. April zerteilt und dieses V. U. Berg dem Erzbistume Wien einverleibt worden.“ Im Zusammenhang damit wurde das Dekanat Bockfließ geschaffen. Breitensee blieb dem Dekanat Orth zugehörig.
- Pater Ruffin Schäfer (1788 – 1808)
Pater Schäfer kam vom Kapuzinerorden, er war vorher Provisor in Marchegg. Ebenso wie sein Vorgänger konnte auch er eine Reihe schöner Erfolge in Breitensee verzeichnen. In seine Zeit fällt die Eröffnung der neugebauten Schule. Diese lag jetzt im Bereich des Pfarrhofes, was die Zusammenarbeit zwischen Schule und Kirche sehr förderte. Die schon lange geplante Erweiterung des Friedhofes wurde unter Beiziehung von Kirchengeldern bei Mitteinbeziehung von Hand- und Zugrobot der Gemeinde durchgeführt. Schäfer ließ auch „mitten im Ort“ einen Turm mit einer Glocke errichten, damit – wie es in der Chronik heißt – die Gläubigen zum Gottesdienst aufgefordert werden konnten. Wesentlich für die Kirche war die Reparatur des Dachstuhles sowie seine Sicherung gegen drohende Einsturzgefahr.
Die Franzosen im Marchfeld (1805 – 1809)
Der Krieg zwischen Kaiser Napoleon I. und dem österreichischen Herrscherhaus brachte dem östlichen Marchfeld wieder einmal großes Leid. Breitensee erhielt vom 11. Dezember 1805 bis 7. Jänner 1806 französische Einquartierung. Die Chronik vermerkt, dass neben rücksichtslosen Requirierungen von landwirtschaftlichen Produkten auch das Leben im Orte empfindlich gestört wurde. Welcher Art diese Störung war, kann man sich bei der damaligen präpotenten französischen Soldateska unschwer vorstellen.
- Kaplan Josef Aumann (1808 – 1813)
Josef Aumann war vorher Kaplan an der Pfarrkirche in Ebenthal. Er trat sein Amt als Lokalkaplan von Breitensee am 15. März 1809 an. Dieser sicherlich sehr ideal gesinnte Priester konnte seine Aufgaben wegen einer Brustkrankheit nicht immer so ausführen, wie er es gerne getan hätte. Oft war er auf die Hilfe des Pfarrers von Marchegg angewiesen.
Sein Hauptaugenmerk legte er auf die Tätigkeit in der Schule. Eine besondere Aufgabe erwuchs ihm als Seelsorger und ausgleichend-stabile Kraft während des neuerlichen „Besuches“ der Franzosen 1809.
Kaplan Aumann starb nach geduldig ertragenem Leiden am 1. August 1813. Neben der Bevölkerung des Dorfes nahmen auch der Pfarrer von Groissenbrunn Ferdinand Altmann un der Stadtpfarrer von Marchegg Ruffin Schäfer am Begräbnis teil. Sein Grab ist 1850 mit dem neuerrichteten Kirchenvorhaus überbaut worden.
- Kaplan Leopold Kovecz (1813 – 1814)
Von ihm wissen wir, dass er aus Mähren stammte, und dass er vorher als Beneficiat (Messeleser) an der Kirche St. Peter in Wien tätig war.
Seine Amtszeit in Breitensee betrug bloß 7 Monate, dann wurde er auf die Pfarre Hollern berufen.
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- Kaplan Ignaz Halada (1814 – 1825)
Halada stammte aus adeligem Geschlecht. Sein voller Name war Ernest Ignaz von Halada Edler von Gerencser. Halada hatte ein ausgezeichnetes Verhältnis zu den Gläubigen, man fasste rasch Vertrauen zu dem gelehrten Mann und achtete ihn im besonderen Maße.
Als er Breitensee verließ, um die Kuratenstelle im k.u.k. Provinzialkrankenhaus in Wien anzutreten, waren Kirche und Pfarrhof baulich in bester Ordnung, das nicht zuletzt auch durch zahlreiche Spenden und Stiftungen der Dorfbewohner.
- Kaplan Wendelin Klähr (1825 – 1831)
Klähr war vorher Kooperator in Klein Höflein. Man beschreibt ihn als eher kränklichen Mann, der vom besten Willen beseelt wawr, denn aber doch die schweren Anforderungen, welche die Führung der Lokalkaplanei verlangte, überfordert zu sein, die Herzen der Breitenseer für sich zu gewinnen. Das mag ihn sehr bedrückt haben, und so verließ er – ohne sich weiter zu verabschieden – am 6. Jänner 1831 unser Dorf, um in Langenzersdorf das Uhlsche Benefizium zu übernehmen.
Georg Reithmayer war damals Stadtpfarrer in Marchegg. Bis zur Neubesetzung der Lokal-Kaplanei Breitensee zog er diese in seinen Wirkungsbereich ein.
In diese Zeit fällt die Visitation durch den Fürsterzbischof Johann Michael Leonhard. Die Schulkinder wurden damals (7. Juni 1831) in der Sakristei abgeprüft, die Firmung fand in Lassee statt.
- Josef Franz Hegedüs (1831 – 1843)
Sein voller Name lautete Josef Franz Edler von Hegedüs. Er stammte aus Ungarn und war bisher Administrator in Ebersdorf an der Donau. Hegedüs wurde mit Freude und Erwartung in Breitensee begrüßt und am Peter- und Paulstag installiert.
Kirche und Pfarrhof befanden sich zu dieser Zeit in einem sehr vernachlässigten Zustand. Mit Energie und großem persönlichem Einsatz schuf der neue Lokalkaplan Abhilfe.
Innerhalb kürzester Zeit hatte er besten Kontakt zu den Leuten, er verstand es, sie für die Belange der Kirche zu interessieren; auch aktivierte er diesbezüglich seinen Wiener Bekanntenkreis. So war es möglich, Kirche und Pfarrhof bald wieder in Schönheit erstehen zu lassen. Als besondere Spenden mögen ein Kreuz-Partikel (durch Anton Vogovits) sowie ein Kreuzpartial mit den Reliquien der hl. Agatha und Liborii Bisch.M.M. (durch die Ehrw. Chorfrau Ferdinanda aus dem ehem. Kloster zu der Himmelspförtnerin) angesehen werden.
Der linke Seitenaltar war der Agatha Altar. Bedauerlicherweise wird über die damals sicher dort schon vorhandene Statue der hl. Agatha keine Aussage gemacht. Es wäre interessant zu wissen, seit wann sich dieses wertvolle Standbild in der Kirche befindet.
Eine große Gefahr schwebte 1831 über dem Ort. Die Cholera war ausgebrochen. Kaplan Hegedüs bewies hier hohe seelsorgische und menschliche Qualitäten und gewann dadurch besonderes Ansehen. Der Cholera fielen 7 Menschen zum Opfer. Als Dank für die glücklich überstandene Gefahr verpflichteten sich die Bewohner, die Dekorierung des Marienbildes durchführen zu lassen. (Man hört später nichts mehr davon)
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1834 erhielt die Kirche „ein hl. Grab mit drei bögen sammt einem liegenden Christusbilde und einem Kreuz mit zweyen Engelin“. Es war dies das Abschiedsgeschenk, das Hegedüs seinen Pfarrkindern darbot. Auf ihn wartete das Curat Benefizium im Wiener allgemeinen Krankenhaus.
Hegedüs behielt Breitensee stets in bester Erinnerung. 1842 sandte er einen prächtigen Tabernakel als Geschenk und 1860 ist er seinem Nachfolger Newolka bei der Beschaffung einer Subvention zwecks Ankauf einer neuen Orgel entscheidend behilflich.
- Kaplan Franz Wewerka (1834 – 1848)
Wewerka stammte aus Rabensburg, es ist das erstemal, dass ein „engerer Landsmann“ Pfarrer von Breitensee wird. Seine Installierung erfolgte am 16. Oktober 1834 und war – wie das bei allen seinen Vorgängern der Brauch gewesen – ein großes Fest für das Dorf.
Auf Wewerka warteten große Aufgaben. Vorerst war es die Orgel, „die nicht mehr zum Anhören war“ und ob des Missklangs ihrer Töne jede Andacht störte, die ihm zu schaffen machte. Es gelang ihm, diese „durch ein nicht mehr ganz neues aber gutes Positiv“ zu ersetzen. Weitere bedeutende Aufgaben für ihn waren die Weihe der 1837/38 errichteten Dreifaltigkeitskapelle sowie die seelsorgische Tätigkeit während der neuerlich ausgebrochenen Cholera. Diese forderte insgesamt 37 Todesopfer. Die Dreifaltigkeitskapelle ging auf Spenden der Ortsbevölkerung, insbesondere aber auf eine solche der Witwe des Franz Matzak zurück. Die Kapelle wurde 1945 durch die Kriegsereignisse zerstört und nicht wieder aufgebaut. Sie stand an der Straße nach Marchegg, dort wo der Feldweg zum „Roten Kreuz“ abzweigt.
1836 konnte „das Bild des Gekreuzigten“ auf dem „Roten Kreuz“ – Feldweg nach Marchegg, gegenüber dem Aspenhof – von Franz Franziska Hörmann aus Wien neu „gemahlt gelassen“ anläßlich der Markusprozession geweiht werden.
Im März 1848 zog Kaplan Wewerka als Stadtpfarrer nach Marchegg.
Von 1848 bis zur Gegenwart
Wer ihre Arbeit und das Geschaffene zu überdenken vermag, wer überlegt, unter welch schweren Opfern die Kirche ausgebaut und weiter entwickelt wurde, wird der Dorfbevölkerung und besonders den verantwortlichen Kaplänen gerne Hochachtung zollen.
Nichtsdestoweniger war das Wirken der Nachfolger ebenso reich an Arbeit, Mühe, Enttäuschung gewiss auch an Freude.
- Kaplan Franz Hirsch 1848 – 1853
Hirsch ist der erste Seelsorger, der mit der neuen Zeit konfrontiert wird. Fallen doch wesentliche Entscheidungen der Gemeinde, zu deren Beratungen er herangezogen wurde, in seine Amtszeit. Damals wurde die Trasse der Bahn endgültig festgelegt. Für Breitensee wird damit der wirtschaftliche Anschluss an den Raum Marchegg, Lassee und weiter nach Wien gesichert.
Die Kirche wurde dennoch nicht vernachlässigt! Es gab neue Kirchenbänke, neue Kreuzwegbilder und alle drei Altäre wurden renoviert. Die Patronatsherrschaft Marchegg ließ die Kirche neu eindecken, der alte Glockenstuhl wurde durch einen neuen aus Eichenholz ersetzt. Da in der Folge von keiner Erneuerung des Glockenstuhles mehr gesprochen wird, handelt es sich wahrscheinlich um den noch vorhandenen.
Leider wechselte Kaplan Hirsch schon 1853 auf das Amt des Stadtpfarrers Marchegg.
- Kaplan Matthias Newolka (1853 – 1874)
Kaplan Newolka stammte aus Mähren und war vorher Kooperator in Kirchberg am Wechsel, Untereggendorf und Payerbach. Während seiner 20 jährigen Tätigkeit in Breitensee erwarb er sich großes Ansehen und eine die besondere Achtung der Bewohner.
Auch er arbeitet mit Erfolg „an der Kirche“ weiter. Das aus Holz gebaute Vorhaus wurde druch ein solides gemauertes Bauwerk ersetzt. Eine neue Glocke wurde angeschafft.
Inmitten des Ortes ließ Newolka ein „Sterbeglöcklein“ aufstellen. Wo und welcher Art dieses war, darüber gibt es keine Angaben.
Die Kirche wurde abermals geweißt, der Pfarrhof neu gedeckt und das Schulhaus von außen renoviert. Bedauerlicherweise stellte es sich heraus, dass die unter Kaplan Wewerka gekaufte Orgel unbrauchbar geworden war.
Bereits 1861 verstand es Newolka – mit besonderer Hilfe seines Vorgängers Hegedüs – ein neues Instrument zu erwerben. Dieses hatte 4 Register und stand bis 1929 in Verwendung.
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Der Bau der Eisenbahn Stadlau – Marchegg hatte auch Auswirkungen auf Breitensee. Ortsfremde Bauarbeiter nahmen hier Quartier und brachten neue Sitten. Auch Breitenseer halfen beim Bahnbau mit und kamen so zu Geld. Einige von ihnen setzten dieses hin und wieder, sehr zum Leidwesen ihrer Eheweiber, in Alkohol um. Kaplan Newolka wurde unliebsam mit dieser Sachlage konfrontiert.
Am 5. November 1873 verließ Newolka Breitensee. Er wurde Stadtpfarrer in Marchegg. Als er 1884 starb, wurde er seinem Wunsche gemäß in Breitensee begraben. (Priestergrab) Sein Ausspruch „Ich will in Breitensee begraben sein, weil dort die Leute so andächtig beten“, ist bis heute mündlich überliefert.
Reichsvolksschulgesetz (1869)
In dieser Amtszeit Newolkas fällt eine große staatliche Entscheidung. Bisher übte die Kirche die Schulaufsicht aus.
Mit 14. Mai 1869 trat das Reichsvolksschulgesetz in Kraft. Es regelte die Ausbildung der Lehrer, vermehrte die Unterrichtsfächer, führte die allgemeine Schulpflicht ein und verlangte die staatliche Schulaufsicht. (Bezirks- und Landesschulinspektoren)
Der Kirche wurde das Inspektionsrecht im Gegenstand Religion belassen.
Die Preußen in Breitensee 1866
Zu allem Unglück gab es damals Krieg gegen die Preußen, das österreichische Heer wurde geschlagen, am 22. Juli quartierte sich eine Eskadron Gardeulanen des Feindes hier ein. Die Soldaten kamen hauptsächlich aus katholischen Gegenden Preußens, sie benahmen sich sehr diszipliniert, es gab keine Übergriffe. Belastend – und das im übergroßen Maße – waren die Requirierungen an Feldfrüchten und Rindvieh. Das Unglück wurde größer, als der Waffenstillstand bis zum 1. August verlängert wurde und „statt 1 Esquadron Ulanan 2 Esquadron Dragoner“ kamen.
Die Requirierungen dehnten sich bis Lassee, Loimersdorf und Engelhartstetten aus.
Am Ende des Jahres wurde den Hausbesitzern eine Kriegsentschädigung zwar ausbezahlt, diese war aber so gering, dass der entstandene Schaden nicht gedeckt werden konnte.
Aus Lassee erzählt Altlandtagspräsident Leopold Weiß von seinem Großvater folgendes.
Lasseer Bauern gelang es, die Preußen teilweise zu überlisten. Sie versteckten ihr Vieh im Rohr des Stempfelbaches und konnten es so über die Zeit der Anwesenheit der Preußen retten.
Man kann daraus schließen, dass der damals noch nicht regulierte Stempfelbach stark versumpft war, und dass sich in Breitensee mit seinen großen Wasser-, Sumpf- und Rohrflächen ähnliche Möglichkeiten geboten haben müssten. Es ist allerdings nichts davon überliefert.
- Pfarrer Laurenz Schuster (1874 – 1892)
Es fällt vorerst auf, dass ab 1879 die Breitenseer Seelsorger nicht mehr als Lokalkapläne, sondern als Pfarrer bezeichnet werden. Eine Urkunde, die darüber genaueren Aufschluss gibt, ist nicht vorhanden.
Pfarrer Schuster kam aus Großrußbach, wo er als Kooperator tätig war.
Hatte sein Vorgänger Newolka den finanziellen Bogen für kirchliche Ausgaben überspannt? Schuster klagt über die hohen Rückzahlungen und über mangelnde Geldmittel.
1877 schreibt er über die große Not im Dorfe „Mancher baute nicht einmal das Brot“.
Die Gemeinde konnte ihrer Verpflichtung dem Pfarrer gegenüber nicht nachkommen, Regenschori und Mesner konnten erst nach einem halben Jahr ausbezahlt werden.
Dennoch wurden unter Schuster eine Reihe beachtlicher Neuerungen durchgeführt; Ein neues Friedhofskreuz wurde errichtet, durch eine Sammlung unter den Dorfbewohnern war es möglich, eine neue Krippe zu erstehen, bei den Weingärten des Herrn Wogowitsch wurde ein neues Kreuz gesetzt. Wo steht dieses Kreuz? Möglicherweise ist es das Marterl am „Berg“, dort soll es mündlicher Überlieferung nach einmal Weingärten gegeben haben.)
Auch die Kirche wurde – sehr gründlich diesmal – renoviert. Hiebei kam die bereits erwähnte Inschrift über die Erbauung der Kirche zutage. 1880 wurde die Statue „Unsere liebe Frau von Lourdes“ erworben; sie wurde in Paris hergestellt. Ihre Aufstellung erfolgte im Rahmen eines großen Festes auch unter Teilnahme der Nachbarorte von Marchegg bis Engelhartstetten.
Zum Fest ertönte erstmalig die neue große Glocke. Sie läutete bis 1917, wo sie am 5. Februar zu Kriegszwecken abgenommen und eingeschmolzen wurde.
Die Ausschmückung der Kirche ging weiter: 1881 spendet Lorenz Nakowitsch Nr. 54 eine „Statue des göttlichen Herzen Jesu“ – sie stammt ebenfalls aus Paris. 1882 lässt wieder Lorenz Nakowitsch als Ergänzung hiezu in der gleichen Pariser Werkstätte eine „Herz Maria“ Statue anfertigen.
Auch das Patronat tritt in Aktion, lässt den Kirchturm neu eindecken und mit einem vergoldeten schmiedeeisernen Kreuz versehen, der Pfarrhof erhält seine heutige Ausbaustufe.
Erstmalig scheinen unter Pfarrer Schuster Einzelspenden für die Kirche auf, die an der finanziellen Leistungsgrenze der Spende lagen.
Nach einer seelsorgischen Tätigkeit von über 18 Jahren verlässt Pfarrer Schuster Breitensee und wechselt auf die Pfarre Auerstahl. Er wurde später Geistlicher Rat und Dechant des Dekanates Bockfließ.
Sein Tod erfolgte am 31. Dezember 1902 in Auersthal, unmittelbar nach der von ihm gehaltenen Jahresschlußpredigt.
Pfarrer Schuster hat sich in Breitensee ausgegeben, würden wir heute sagen. Er hat Einmaliges geschaffen. Erfüllung hat er allerdings hier nicht gefunden. Seine Eintragung am Abschiedstag lautete:
„Da nun die Pfarre Breitensee im Marchfelde die schlechtest dotierte ist, und dann die im Sommer hier herrschende enorme Hitze und dazu kein Baum im Freien zu einem Spaziergange und die ewigen Winde und Stürme verbunden mit erdrückenden Staubwolken – das alles hat mich bewogen um eine andere, der Gesundheit zuträglichere Pfarre zu kompendieren.“
- Pfarrer Adolf Sedlacek (1892 – 1901)
Sedlacek war vorher Kooperator in Marchegg, von ihm heißt es unter den älteren Bewohnern des Ortes heute noch, dass er ein äußerst zielbewusster, energiegeladener Pfarrer gewesen sei. Sedlacek beschränkte sein Wirken nicht nur auf die Kirche, er stellte sich auch dem öffentlichen dörflichen Leben mit anerkennenswertem Eifer zur Verfügung.
Schon 1893 wurde eine neue Glocke geweiht. Es war die sogenannte 11er Glocke, kleiner als die 1880 unter Pfarrer Schuster erworbene „große Glocke“, eine neue Kirchenbeleuchtung wurde installiert, im Pfarrhof die sanitäre Anlage modernisiert.
Im Juni 1899 besuchte Weihbischof Dr. Johann Schneider die Kirche und sprach sich anerkennend über Empfang und Kirche aus.
Die Glockenseile hingen bisher vor dem Hochaltar herab, es wurde auch von dort geläutet. Jetzt wurden sie in die Sakristei geleitet. Auch wurde die kleinste Glocke, das Zügen-Glöcklein, das bisher auf dem Dache ober dem Kirchenchor angebracht war, in den Turm versetzt. Es konnte sich hiebei um jene Glocke handeln, die Kaplan Newolka „inmitten des Dorfes“ aufstellen ließ. Aus Sedlaceks Zeiten stammt auch unser heutiges Friedhofstor.
1897 scheint Sedlacek als Gründer und Schriftführer des „Marienvereines“ auf, der sich die Unterstützung der Mission in Afrika zum Ziele gesetzt hatte.
Sedlacek war weiter entscheidend am Zustandekommen des Schulneubaues, besser gesagt der Schulerweiterung durch Aufsetzen eines Stockwerkes mitbeteiligt, er gründete den „Breitenseer Männergesangsverein“ und war dessen erster Obmann, und er veranlasste die Gründung des „Spar- und Darlehensvereines nach dem System von Friedrich Wilhelm Raiffeisen“ für Breitensee, Groissenbrunn und Engelhartstetten; hiebei wurde er zum Zahlmeister (Buchführer, Kassenverwalter) gewählt, ein Amt, das er gratis zu verwalten versprach.
In der Amtszeit Sedlaceks fällt die Trockenlegung des Sees im Ortsbereich.
1900 wurde Pfarrer Sedlacek in Würdigung seiner besonderen Verdienste um Breitensee zum Ehrenbürger ernannt. Diese Auszeichnung wurde vorher noch niemandem zuteil.
Seine letzte Eintragung in die Lokalchronik lautet: „Am 29. August 1901 wurde ich auf die Pfarre Sollenau investiert. Am 16. September verließ ich die mir lieb gewordene Pfarre Breitensee, in der ich mich glücklich fühlte, schweren Herzens.“
Die Verbundenheit Sedlaceks mit Breitensee dokumentiert sich auch darin, dass er bei besonderen Feierlichkeiten jeweils als Ehrengast geladen war. Unter Pfarrer Augustin Schenk wurden die im Ersten Weltkrieg verlorenen Kirchenglocken durch neue ersetzt, die Weihe derselben nahm am 22. Februar 1925 Probstpfarrer Adolf Sedlacek vor. Auch die Weihe des neuen Hochaltars – beschafft unter Pfarrer Georg Witscher – nahm er, der bereits Prälat war – am 22. April 1934 vor.
- Pfarrer Ferdinand Strizik (1902 – 1908)
Strizik war vorher in Zöbern, Ebenfurth und in Kaiser Ebersdorf als Kaplan tätig. Er freute sich über den großartigen Empfang, den ihm die Gemeinde bereitete, leider gelang es ihm während seiner Amtszeit nicht, den notwendigen Kontakt zu den Leuten zu finden.
„Wenn ich ein Schlusswort schreiben wollte“, so heißt es beim Abschied in der Pfarrchronik, „müsste ich das Gegenteil sagen von dem, was mein Vorgänger geschrieben. Allerdings : die Sterne des Glücks liegen in des Menschen eigener Brust….
Was meine seelsorgische Tätigkeit betrifft, so habe ich den glimmenden Docht nicht verlöschen wollen. Mehr habe ich hier nicht gefunden. Amen.“
Sein neuer Wirkungsort war die Pfarre Kranichberg.
Die Zeit bis zur Bestellung eines neuen Seelsorgers wurde durch den Pfarrer von Groissenbrunn Ullrich Winternitz provosorisch überbrückt.
- Pfarrer Augustin Schenk (1909 – 1925)
Wieder einmal wird der frühere Kooperator von Marchegg Pfarrer in Breitensee. An Schenk erinnern sich die älteren Dorfbewohner noch heute gerne. Er war ein Mann, der nicht viele Worte liebte, wie man so sagt.
Als Haushälterin hielt er seine Schwester, das Fräulein Marie. Sie führte die Wirtschaft auch in der Weise, dass sie noch Kühe, Schweine, Hühner und Ziegen im Stalle hatte.
Schenk war der letzte Pfarrer von Breitensee, der in dieser Weise noch Landwirtschaft betrieben hat.
Gleich zu Beginn seiner Amtstätigkeit wurde er mit schwierigen Wirtschaftsfragen in der Weise konfrontiert, dass das Kirchendach – es waren noch immer Schindeln darauf – neu gedeckt werden musste; auch die Anschaffung einer neuen Monstranz sowie einer Krippe erwiesen sich als notwendig.
1914 kamen mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges neue Probleme. Viele Breitenseer mussten einrücken, es gab die ersten Gefallenen, die große und die mittlere Glocke wurden zum Einschmelzen abgeholt, ja, im Jänner 1918 wurden sogar die Metallpfeifen der Orgel für die Heeresverwaltung weggenommen.
Nach Ende des Krieges war das Wirken als Pfarrer in unserem Orte äußerst schwer. Die politischen Parteien arbeiteten vorerst recht radikal, und Schenk musste sehr gehässige Angriffe ertragen.
In die Amtszeit Schenks fällt 1912 schon die Visitation durch Kardinal Fürsterzbischof Franz Nagl. Hierbei wurde das Sakrament der hl. Firmung an insgesamt 25 Firmanden in Breitensee gespendet.
Trotz der vorher aufgezeigten Spannungen im Orte brachte es Pfarrer Schenk zuwege, ein neues Kirchengeläute zu beschaffen. 1925 wurde es durch Domprobst Sedlacek geweiht und seiner Bestimmung übergeben.
Schade, dass die Spannungen zwischen Gemeindevertretung und Kirche weiter anhielten. An der Feierlichkeit der Glockenweihe nahmen die Ortsfunktionäre nicht teil. Die Begründung war, „dass sie keine Glocken brauchen“.
Vielleicht war das die letzte Ursache, dass sich Pfarrer Schenk entschloss, Breitensee zu verlassen. Er wirkte 16 ½ Jahre hier und wurde mit 8. Juli 1925 Pfarrer von Ebenthal.
Von einer Neubesetzung der Pfarre wurde zunächst abgesehen, weil man die ungeregelten finanziellen Verhältnisse betreffend die Versorgung des Pfarrers durch die Gemeinde erst regeln wollte.
Pater Lidephonsus Paschk, Pfarrer in Groissenbrunn, führte bis zum 1. September 1926 die Geschäfte in Breitensee weiter.
- Pfarrer Josef Paul Vogelsang (1926 – 1931 und 1935 – 1960)
Vogelsang stammte aus dem angesehenen Wiener Geschlecht der Vogelsang. Seine Stationen vorher waren Etsdorf am Kamp, Deutsch Wagram, Spiritualrevisor in Schottenwien, Kooperator in Wien 20, St. Brigitta.
Vorerst war seine Tätigkeit infolge der innerpolitischen Lage – Gegensätze der politischen Parteien – schwierig. Oft musste er Schmähungen entgegennehmen, die bis zu polemischen Ausschreitungen in den lokalen Zeitungen reichten.
Trotz all dem ließ sich Vogelsang in seiner Absicht, die Kirche von grundauf zu renovieren und umzugestalten, nicht beeinflussen.
Die alten Altäre wurden beseitigt und durch einfache Behelfe ersetzt, Chor und Orgel wurden abgeräumt, die Bänke wurden erneuert, die Kanzlei beseitigt, die Friedhofsgräber wurden geordnet, ein Friedhofsbrunnen wurde errichtet.
1930 war es dann soweit, dass der neue Chor fertiggestellt und ein neues Instrument (Orgelharmonium) zur Verfügung standen.
Es war ein Höhepunkt im Schaffen Vogelsangs, als am 19. Jänner 1930 im Rahmen eines großen Festes im Beisein von Bundeskanzler a. D. Landeshauptmann von Niederösterreich Dr. Karl Buresch Chor und Orgel geweiht wurden.
Besonderen Erfolg hatte Pfarrer Vogelsang in der Jugendarbeit. Als geistiger Führer einer Gruppe des Katholischen Reichsbundes gewann er wertvolle Mitarbeiter und schmiedete einen großen Teil der männlichen Jugend zu einer Gemeinschaft, die mehr oder weniger heute noch besteht.
Die radikale Umgestaltung der Kirche mit dem Wegräumen von in 150 Jahren in liebevoller Arbeit und oft unter großen Opfern gewordenen Einrichtung stieß bei den Gläubigen auf geteilte Meinung. Man hing an den Sachen, es ist jedoch fraglich, ob die vom Wurme zerfressene gesamte Holzausstattung noch zu retten gewesen wäre und wo die hiezu notwendigen Geldmittel aufgebracht hätten werden können?
Die vorerst aufgezeichneten Schwierigkeiten nahmen kein Ende. Es gab Drohbriefe und Einschaltungen der Kriminalpolizei in Angelegenheiten des Pfarrers.
Das mag Vogelsang bewogen haben, Breitensee zu verlassen. Am 28. Oktober 1931 wurde er auf die Gebirgspfarre Prigglitz investiert.
Von diesem Zeitpunkte an bis zum 1. Juli 1930 war Breitensee wieder vakant. Pfarrer Paschk aus Groissenbrunn führte die Pfarre provisorisch weiter .
- Pfarrer Georg Witscher (1932 – 1934)
Der frühere Stadtkooperator von Liesing nützte die kurze Zeit seines Hierseins zur Ausgestaltung der Kirche und so war es schon 1933 möglich, den herrlichen, neugotischen Hauptaltar durch Prälat Sedlacek seiner Bestimmung zu übergeben.
Nachdem noch ein Friedhofskreuz neu geschaffen wurde, war Witschers Amtszeit hier zu Ende. Am 3. Oktober 1934 wurde er zum Pfarrer von Haringsee ernannt. Pfarrer Paschk aus Groissenbrunn trat wieder in Aktion.
- Josef Paul Vogelsang (1935 – 1960)
Nachdem die Pfarre zweimal ausgeschrieben worden war und sich vorerst kein Bewerber fand, wurde auf eigenes Betreiben Pfarrer Vogelsang abermals mit Breitensee betraut.
Am 9. Mai 1935 wurde er bei größter Anteilnahme der Bevölkerung feierlich empfangen. Seine Verbindung nach Breitensee war nie abgerissen, er hatte hier stets gute Freunde.
Im vertrauten Kreis machte er aus dem Grund seiner Wiederkehr kein Geheimnis: Er habe die Einsamkeit, die ihm Prigglitz – ein Ort mit Streusiedlung – beschert hat, einfach nicht mehr ausgehalten. Als Wiener sei er es gewohnt, unter vielen Menschen zu leben, mit ihnen zu verkehren und Meinungsaustausch zu pflegen. Das allein sie die Ursache seiner neuerlichen Bewerbung um Breitensee gewesen.
1937 wurde in Breitensee das Elektrische Licht eingeführt. Am 26. Mai d. J. erstrahlte auch die Kirche erstmalig im besonderen Lichterglanz.
Der Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich (1938) brachte für die Kirche viel Neues und auch Unangenehmes.
Der von Josef II. gegründete Religionsfond wurde aufgelöst, die Priester wurden von staatswegen besoldet, die Gläubigen hatten die Kirchensteuer zu entrichten. Diese wurde allerdings vom Staate eingezogen, nicht so wie jetzt von einer Kirchenbeitragsstelle, die von der Kirche ausgeht.
1939 wurde die Kirche innen renoviert und künstlerisch ausgestaltet. Hiebei erhielt die Stirnwand über dem Gewölbe zum Eingang in den Altarraum ein Wandbild mit ländlich-religiösen Motiven.
Das Bild – man konnte es als Wandfries bezeichnen – gefiel sehr gut. Es wurde später unter Pfarrer Jaros im Zuge einer neuerlichen Kirchenrenovierung übermalen.
1942 wurden die große und die mittlere Kirchenglocke abgenommen, um für Kriegszwecke verwendet zu werden.
Die Front kam immer näher!
Am 8. Mai 1945 hatten die Russen nach heftigen Kämpfen „auf dem Berg“ Breitensee genommen und jetzt begann für alle eine wahre Leidenszeit, wobei sich Pfarrer Vogelsang in „imponierender Weise“ bewährte.
Selbst wiederholt misshandelt, gedemütigt und blossgestellt, bewies er Haltung und Charakter und bot jedermann im Rahmen des Möglichen Hilfe.
Auf Seite 17 ist ein Bericht Kaiser Ferdinands an den Kurfürsten Georg von Sachsen wiedergegeben. Diesmal schleppten die fremden Soldaten zwar keine Knaben weg, dafür musste so mancher Erwachsene den Weg nach Osten antreten.
Ansonsten war es so wie damals! Frauen und Mädchen waren Freiwild, die Requirierungen maß- und planlos – oft auf reine Zerstörung ausgerichtet – selbst die Ortsbewohner unterschieden mitunter nicht zwischen Mein und Dein.
Ein Ausspruch Vogelsangs, den er später oft wiederholte:“Es war eine kaiserlose, eine schreckliche Zeit. Möge sie nie wieder kommen.“
Auch die Kirche litt sehr. Sie wurde zu einer Schlafstelle und zu einem Pferdestall umfunktioniert, woHL auch Vergewaltigungszenen spielten sich in ihr ab.
Erst am 29. Juni war es wieder soweit, dass nach vollständiger Reinigung und Segnung durch Pfarrer Vogelsang, das erste Messopfer dergebracht werden konnte.
Pfarrer Vogelsang durfte nun die schweren Aufbaujahre in seiner Pfarre miterleben, wobei er oft selbst mit Hand anlegte. Man muss ihn gesehen haben, wie er im tagelangen Bemühen, ausgerüstet mit Schaufel und Kramen, Kriegsschäden in Friedhof und Pfarrhof beseitigt hat.
Der Kirchenbesuch war in der Nachkriegszeit besonders rege. Schon 1955 war es wieder soweit, dass am 23. Oktober die Weihe zweier neuer Glocken vorgenommen werden konnte; auch der Pfarrhof wurde wieder einmal renoviert.
Die vorgesetzte kirchliche Behörde kannte die Verdienste Vogelsangs gerne an. Er wurde mit dem Titel Geistlicher Rat ausgezeichnet und mit 1. Mai 1960 von Kardinal Dr. Franz König zum Dechant des Dekanates Marchegg ernannt.
Leider war sein Gesundheitszustand damals schon sehr angegriffen, sodass er mit 1. November des gleichen Jahres in den Ruhestand treten musste.
Dechant Vogelsang starb 1967 – 3 Tage nach seinem 74. Geburtstag – und wurde am 28. Juni in „seinem Dorfe“ im Priestergrab Newolka beigesetzt. Hiebei gab ihm „der ganze Ort“ das letzte Geleit.
Mit allen noch lebenden Breitenseer „Gegnern“ aus der Zeit seines ersten Wirkens hatte er sich längst ausgesöhnt, einigen von ihnen war er zum Vertrauten geworden.
Eingangs wurde gesagt, dass Vogelsang aus einer angesehenen Wiener Familie stammte. Seine Brüder waren höchste Staatsbeamte. Diese verstanden es kaum, dass ihr Josef nicht die Stelle etwa einer großen Wiener Pfarre anstrebte. „Nein“, lautete seine Antwort. „Meine Pfarre ist Breitensee, und der Weg zu unserem Herrgott hinauf ist von Breitensee genau so weit, wie von jedem anderen Wirkungsbereiche aus.“
OSR Karl Harrer (1920 – 1964)
In diesem Zusammenhang soll auch einer anderen Persönlichkeit gedacht werden. Es ist dies Oberschulrat Karl Harrer, der von 1923 bis 1964 als Direktor der Volksschule Breitensee gewirkt hat.
Es war also etwa dieselbe Zeit, in der Dechant Vogelsang hier Pfarrer war.
Diese beiden Persönlichkeiten arbeiteten fruchtbar zusammen. Harrer war zudem Regenschori, Kapellmeister, Leiter einer Laienspielgruppe, gab Musik- unterricht und war Geschäftsführer der Milchgenossenschaft. Als er November 1947 aus der russischen Kriegsgefangenschaft heimkehrte, wurde ihm die Stelle einer anderen, großen Schule angeboten.
Seine Antwort war ähnlich der des Dechanten Vogelsang: „Mein Dorf ist Breitensee. Hier habe ich gearbeitet, hier habe ich die Menschen kennen und schätzen gelernt, hier habe ich zwei Generationen erzogen. Hier bleibe ich und hier will ich auch begraben sein.
Als besondere Anmerkung der Gemeinde wurde OSR Harrer 1964 zum Ehrenbürger von Breitensee ernannt.
- Pfarrer Robert Jaros (1961 – 1971)
Von November 1960 bis April 1961 führte der Stadtpfarrer von Marchegg Anton Czirny die Pfarre provosorisch weiter. Dann gelang es, P. Vitzlius Pijpers als Seelsorger zu gewinnen.
Ihn löste Pfarrer Robert Jaros, der am 9. Juli 1961 mit der in Breitensee üblichen Festlichkeit installiert wurde, ab. Der Priestermangel innerhalb der Diözese machte sich inzwischen sehr bemerkbar, Pfarrer Jaros wurde zusätzlich mit der Führung der Pfarren Groissenbrunn, Markthof und der Filiale Schlosshof betraut. Auf Pfarrer Jaros wartete viel Arbeit. Er hat sie mit Tatkraft bewältigt.
Der Pfarrhof wurde renoviert und mit Fließwasser versehen, später wurde auch ein Telefonanschluss hergestellt.
Der Ausbau des Pfarrheimes, seinerzeit bereits unter Pfarrer Witscher begonnen – es handelt sich hierbei um den früheren Stall – wurde fortgesetzt; auch gelang es, Oberschulrat Harrer zur Wiederbelebung des Kirchenchores zu bewegen, sodass nach langer Zeit erstmalig zu Weihnachten 1962 wieder ein Hochamt aufgeführt werden konnte.
1965 wurde eine Kirchenrenovierung mit Trockenlegung der Mauern nach elektroosmotischem Verfahren durchgeführt. Im Zuge dieser Renovierung wurde das 1939 über dem Eingang zur Apsis entstandene Fries übermalen.
Zudem wurde im Vorhaus ein (etwas mächtiger) Beichtstuhl aufgestellt. Ursprünglich befand sich ein Beichtstuhl hinter dem Hochaltar. Dechant Vogelsang ließ diesen im Zuge der Umgestaltung der Kirche entfernen und nahm Beichte in der Sakristei auf einer Bank, die vom Gläubigen durch ein aufsteckbares Gitter getrennt war, ab.
Während der Amtszeit von Pfarrer Jaros wurde die Form des Gottesdienstes in deutscher Sprache eingeführt.
1)67 ließ Pfarrer Jaros den bereits erwähnten Taufstein (Taufbecken) überholen und wies ihm einen würdigen Platz in der Kirche zu. Im gleichen Jahr wurde auch eine Warmluftheizung mit Ölheizgerät installiert sowie die Aufbahrungshalle errichtet.
Kardinal Franz König besuchte am 28. Mai 1967 die Pfarre. Es war das ein besonderer Festtag für Breitensee.
Am 7. Dezember 1969 fand in Groissenbrunn die Einweihung des Marienbründels statt.
Um die besonders gelungene Neugestaltung desselben hatte Pfarrer Jaros allergrößten Anteil.
1971 verließ dieser blendende Organisator, nachdem ihm vorher der Titel „Geistlicher Rat“ verliehen worden war, Breitensee und wurde Pfarrer in Goggendorf.
- Pfarrer Mag. Raimund Temel (1971 – 1977)
Pfarrer Raimund Temel kam aus dem Orden der Redemptoristen und führte auf Anordnung seiner Eminenz Kardinal König vorerst die Pfarre als Vikarius substitutis. Später wurde er zum Lokalprovisor ernannt und mit 31. Jänner 1976 investiert.
Pfarrer Temel hatte von allem Anfang an ob seiner Sicherheit im Auftreten, gepaart mit glaubhafter Bescheidenheit, sich das Vertrauen der Gläubigen erworben. Sein besonderes Anliegen war die Jugendarbeit sowie seine Lehrtätigkeit in der Schule. Als ausgezeichneter Prediger verstand er es im besonderen Maße, religiöses Leben wach zu halten und weiter zu entfalten.
Seine Diplomarbeit, mit der er an der Wiener Theologischen Fakultät den akademischen Grad eines Magisters erlangte, trägt den Titel „Breitensee im Marchfeld – eine josefinische Pfarre“.
Mit 28. August 1977 wurde Magister Temel als Pfarrer nach Leopoldsdorf berufen. Diese Versetzung stand im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Professor am Bundesgymnasium in Gänserndorf.
Seine Wegversetzung von Breitensee wurde hierorts sehr bedauert.
- Pfarrer Alfons Crijns (1977 – 1979)
Pfarrer Crijns, Jahrgang 1941, kommt aus dem belgischen Landeskreis Maas- Mechelen – also aus Belgien. Er hat in Wien studiert und war dann Kaplan in Kirchschlag. 1972 ging er für 5 Jahre in die Mission nach Afrika (Obervolta) und wurde anschließend Kaplan in Hohenau.
1977 wurde er zum Pfarrer von Breitensee ernannt, wobei ihn Bischofsvikar Stubenvoll in die Pfarre einführte und sein bisheriger Vorgesetzter, Pfarrer Dechant Msgr. Johann Prokes, ihn den Breitenseern mit herzlich väterlichen Worten vorstellte.
Pfarrer Crijns setzte die Arbeit seiner Vorgänger mit jugendlichem Elan gewissenhaft weiter. Er baute den Kinderspielplatz im früheren Pfarrhofgarten aus, wobei er sich nicht scheute, selbst mitzuarbeiten, das Pfarrheim wurde wohnlicher gestaltet.
Seine Bemühungen um die außerschulische Betreuung der Kinder und Jugendlichen verdient besonders hervorgehoben zu werden. Crijns wurde – ebenso wie schon vorher Pfarrer Jarosch und Mag. Temel – Dekanatsjugendseelsorger und zeigte sich hier besonders rege und auch erfolgreich. (Jugendmessen!)
Pfarrer Crijns betreute zusätzlich seelsorgisch Marchegg Bahnhof.
Es gab keine Arbeit, vor der dieser Mann zurückscheute. Und als 1979 Breitensee seine 400 Jahr Feier hatte, war sein Beitrag u.a. die Abhaltung eines Kurses für Bauernmalerei. Im Zuge der Feier machten die Lehrgangsteilnehmer eine Ausstellung, die Bewunderung bei den Besuchern erregte.
Beachtenswert war sein ungezwungenes Verhältnis zu allen Pfarrkindern. Obwohl Priester, sah er sich vorerst als Mitglied der Pfarrgemeinde an. Die Leute anerkannten das ebenso gerne wie seine Freude an Geselligkeit.
Crijns hat die Idee der christlichen Gemeinde vorgelebt und gestärkt.
Als er 1979 nach Hohenau versetzt wurde, um dort die Nachfolge von Msgr. Prokes anzutreten, blieben Beziehungen und Verbindungen nach Breitensee dennoch erhalten.
- Pfarrer Boleslav Ochot (ab 1979)
Boleslov Ochot kommt aus Kattowitz in Oberschlesien, er studierte in Krakau. Zunächst war er in den Pfarren Jedlersdorf und Bruck/Leitha als Kaplan tätig. Seit 1979 ist er mit der Führung der Pfarren Markthof mit Schloßhof und mit Breitensee betraut.
Pfarrer Ochot ist ein Priester, dem sein Beruf Sendung und Lebensinhalt ist. Was Kirche und Führung der Pfarre betrifft, reiht er sich würdig in die Reihe seiner Vorgänger und kann trotz der kurzen Zeit seines h. a. Wirkens auf eine beachtliche Zahl schöner Erfolge hinweisen. Kirche und Pfarrhof wurden innen und außen renoviert, in der Kirche wurde eine neue Heizung installiert, durch eine Spende des Kultur- und Festausschusses gemeinsam mit der Jagdgesellschaft war es möglich, eine neue Orgel in den Dienst zu stelle, die Gliederung des Friedhofes wurde neu geregelt, im Friedhof wurde ein neues Missionskreuz errichtet u.a.m. Äußerst beachtliche Erfolge erzielt Pfarrer Ochot in der Jugendarbeit.
Abschließend an die Geschichte der Breitenseer Kirche soll noch dreier Persönlichkeiten gedacht werden.
- Dr. Erwin Peckl (Pastoralassistent)
Dr. Peckl ist 1936 in Radmer in der Obersteiermark geboren. Er besuchte die Volksschule dortselbst und maturierte im Juni 1955 am bischöflichen Knabenseminar in Graz.
Seit November 1955 ist er bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (früher hieß diese Einrichtung „Land- und Forstwirtschaftliche Sozial-Versicherungs-Anstalt“) beschäftigt. (Rechtskonsulent)
Im April 1965 erwarb Peckl den Titel eines Magisters juris, im Dezember 1966 wurde er an der Universität Wien zum Dr. juris promoviert.
Dr. Peckl ist seit April 1959 mit der Breitenseerin Walpurga, geb. Weiss verheiratet. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass er hier wohnhaft ist.
Am 21. 9. 1975 erwarb er die erzbischöfliche Erlaubnis zur Kommunionspendung, im Mai 1978 wurde er mit Dekret des Erzbischofs von Wien zur Leitung von Wortgottesdiensten ermächtigt. (=Pastoralassistent)
Dr. Peckl ist in den Gemeinden Markthof, Schloßhof Marchegg, Leopoldsdorf und Breitensee in obiger Eigenschaft gleichermaßen bekannt, sehr geschätzt und geachtet.
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- Organist Josef Hanacek
Pfarrer Georg Beres, Organist Josef Hanacek und Pfarrer Boleslav Ochot am 18. 7. 1981 beim Orgelbau.
Hanacek stammt aus einer Breitenseer Handwerker- familie (Vater war Tischlermeister), besuchte hier die Schule, lernte später das Maurer- handwerk, wobei er es bis zum Baumeister – nicht selbstständig – brachte. Er ist verheiratet und wohnt in Schönfeld.
Während des Krieges war kein Organist in Breitensee. Der 1941 13-jährige Schüler lernte nach einfachster Anleitung trotz erschwerender Umstände das Spielen auf der Orgel, und so war es möglich, dass noch während des Krieges der Gesang der Gläubigen in der Kirche mit der Orgel begleitet werden konnte.
Inzwischen hat sich Josef Hanacek zu einem sehr tüchtigen und verlässlichen Organisten entwickelt, der nicht nur in Breitensee sondern auch in Groissenbrunn, Schloßhof und Markthof den Dienst versieht.
- Pfarrer Georg B e r e s
Pfarrer Beres kommt aus Ungarn und war Zeremoniär des Primas von Ungarn Mindzenty. Von 1972 – 1979 war er mit der Seelsorge der Pfarren Markthof und Groissenbrunn betraut; auch in Breitensee hat er häufig den Gottesdienst versehen. Beres ist musikalisch hoch begabt – er studierte auch in Wien Musik – und besaß privat eine Orgel, die er im Pfarrhof zu Groissenbrunn aufgestellt hatte. 1979 wurde Beres als Pfarrer nach Wien-Glanzing berufen. Seine Verbindung nach Breitensee blieb aufrecht, und da es sich immer mehr herausstellte, dass das seit 1930 im Dienst stehende Orgelharmonium – das zudem damals schon als Provisorium gedacht war – entweder generalüberholt oder durch ein neues Instrument ersetzt gehörte, bot sich Beres an, seine Orgel gegen (ein verhältnismäßig geringes Entgelt) der Breitenseer Kirche zu überlassen.
Der Kultur- und Festausschuss Breitensee – in Zusammenarbeit mit der Jagdgesellschaft – erwarb die Orgel und schenkte sie der Kirche.
Pfarrer Beres zeigte auch eine sehr große handwerkliche Begabung und vermochte es, das Instrument mit einiger Laienhilfe – selbst in Breitensee aufzustellen.
Der Kirchenchor
Von Oberlehrer Franz Neumann (1872 – 1904) wissen wir, dass er ein blendender Organist und Kirchenmusiker war. Schon aus diesem Grunde war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, einen Kirchenchor zu führen.
Neumann war auch Komponist. Eine von ihm geschriebene Messe war mit anderen von ihm stammenden Gesängen noch bis 1945 im Archiv des Kirchenchores vorhanden.
Das besondere daran war, dass die Orgelpartituren im „bezifferten Bass“ geschrieben waren. Diese Art, ein Musikstück notenmäßig aufzuzeichnen, lässt dem Organisten viele Freiheiten, verlangt aber ein großes musikalisches Einfühlungsvermögen. Heute gibt es kaum mehr Organisten, die diese Art des Orgelspielens beherrschen. Nachfolger Neumanns war der nicht weniger tüchtige Oberlehrer Ferdinand Sypal (1904 – 1911). Auch er war Organist und leitete den Kirchenchor. Ebenso wie bei Neumann stand auch ihm ein kleines Orchester mit Streichern und Bläsern zur Verfügung.
Sypal wurde 1909 in Würdigung seiner Verdienste um Schule und Gemeinde zum Ehrenbürger von Breitensee ernannt. 1911 wurde er als Oberlehrer nach Untersiebenbrunn versetzt. Der neue Oberlehrer war Johann Sanitzer (1909 – 1923). Sanitzer versah vorerst ebenso wie seine Vorgänger mit großem Können den Dienst als Regenschori. Nach dem ersten Weltkrieg aber wandte er sich der Politik – besser gesagt der Ortspolitik – zu. Er brachte es 1919 sogar bis zum Bürgermeister, versah aber keinen Kirchendienst mehr.
Breitenseer Kirchenchor5 2009
Auf Sanitzer folgte als Schulleiter und letzter Oberlehrer von Breitensee Oberschulrat Karl Harrer (1923 – 1964).
Harrer war ein außergewöhnlich tüchtiger und ebenso fleißiger Lehrer. Gleich nach seinem Dienstantritt in Breitensee übernahm er den Organistendienst. In sorgfältiger und überlegter Arbeit baute er anschließend einen Kirchenchor auf. Dieser übertraf wohl dann alles, was es vorher diesbezüglich in Breitensee gegeben hat! Es gab einen großen Frauenchor sowie ein klangvolles Orchester mit Streichern, Holz- und Blechbläsern. „Es ist so schön wie im Himmel“, war die Aussage der Kirchenbesucher nach so manchem Hochamt.
1938 wurde Harrer Soldat, wurde aber noch vor Kriegsende aus dem Wehrdienst entlassen. Dennoch wurde er 1945 nach Russland verschleppt. Als er später auf Ersuchen von Pfarrer Jaros den Kirchenchor wieder reaktivierte, war doch zuviel Zeit vergangen, um das vor dem Kriege vorhandene Niveau zu erreichen. Oberschulrat Harrer wurde in Würdigung seiner Verdienste um unser Dorf – wie vorher schon Pfarrer Sedlaceck und Oberlehrer Sypal – zum Ehrenbürger ernannt.
Seit 1939 versieht Josef Hanacek den Organistendienst. Dieser brave und tüchtige Mann besorgt sein Amt mit großer Gewissenhaftigkeit und ebensolchem Können, und Breitensee hat es ihm zu verdanken, dass die Gottesdienste in der gewohnt feierlichen Art durchgeführt werden können.
Seit 1982 ist Oberschulrat Josef Alena – Hauptschuldirektor in Marchegg, wohnhaft in Breitensee – mit Erfolg bemüht, wieder einen Kirchenchor ins Leben zu rufen. Er stützt sich hierbei auf erfahrene Sänger aus Harrers Zeiten, hat aber eine schöne Zahl junger und jüngster Mitwirkender zusätzlich gewonnen. Dem Chor gehören an: Schulrat Therese Alena, Anna Dudaschek, Maria Förster, Viktoria Gluck, Brigitte Hemmelmeyer, Irmgard Hubicek, Anna Hübl, Doris Michalovic, Eveline Moravec, Walpurga Peckl, Erna Paradeyser, Leopoldine Scharoch, Hedwig Schmid, Elisabeth Sorsky, Anna Valis, Birgit Vasicek, Inge Weiß, Ottilie Zelenka.
Die Darbietungen des Chores sind beachtenswert. Oberschulrat Alena ist ein erfahrener Chormeister, der über 30 Jahre lang den Männergesangsverein Marchegg geleitet und hier in Breitensee gerne das Kirchenamt übernommen hat. So trägt er einen beachtlichen und sehr anerkennenswerten Teil zum geistig-kulturellen Leben in unserem Dorfe bei.
Hier ist auch unsere Feuerwehrkapelle mit ihrem Obmann Hans Efler und Kapellmeister Günther Nührig zu nennen. Bei weltlichen Feiern, gerade aber auch bei kirchlichen Veranstaltungen, tritt dieser Verein oft angenehmst in Aktion und gibt so den Feierlichkeiten ihren letzten Festesglanz. Kapellmeister Nührig ist hauptberuflich Musiker und Mitglied des Orchesters des österreichischen Rundfunks.
Pfarrgemeinderat
Seit die Pfarre besteht, waren es Mitglieder des Dorfes, die in irgend einer Weise dem Pfarrer in Ausübung seiner Obliegenheiten helfend zur Seite standen.
Das ist deshalb von Bedeutung, weil dadurch die Verbindung zwischen Priester und den Gläubigen stets gesichert war.
Diese „Laienhelfer“ hatten im Laufe der Entwicklung der Pfarre verschiedene Bezeichnungen. 1831 nannten sie sich Richter und Geschworene. Sicherlich waren sie vorerst mit gemeindeamtlichen Tätigkeiten betraut, etwa wie heute Bürgermeister und Gemeinderäte. Wie aber aus verschiedenen Urkunden hervorgeht, nahmen sie ebenso auf verwaltungsmäßige Angelegenheiten der Pfarre Einfluss.
Später gab es dann die Kirchenväter. Ihre Tätigkeit war bereits eine pfarrgemeinderätliche Funktion. Noch in der Amtszeit von Pfarrer Schenk (1909 – 1925) saßen sie während des Gottesdienstes auf einer Längsbank rechts vor dem Hauptaltar gemeinsam mit dem Mesner. Dieser hatte allerdings den Eckplatz inne, um seinen Obliegenheiten während des Gottesdienstes nachkommen zu können. Die letzten Kirchenväter dieser Art waren Peter Matzak (Nr. 65) und Herr Salajka (Nr. 7). Den älteren Dorfbewohnern sind die beiden Männer noch in guter Erinnerung und sie wissen, mit welcher Würde und auch Eifer sie den Gottesdienst mitfeierten – ein sichtbares Vorbild für die anderen Kirchenbesucher.
Auf die Kirchenväter folgte – noch in der Amtszeit von Dechant Vogelsang – der Kirchenrat. Seine Aufgaben waren bereits erweitert und bezogen sich nicht nur auf kirchliche Handlungen. So mussten beispielsweise auch die Kirchenrechnungen und andere dem Ordinariat vorzulegende Schriftstücke vom „ersten“ Kirchenrat mitunterschrieben werden. Von einer Überprüfung derselben war aber kaum die Rede. Mein Vater – Josef Garhöfer – versah dieses Amt durch etwa 30 Jahre. Ich erinnere mich, wie Pfarrer Vogelsang von Zeit zu Zeit mit einem Pack von „Akten“ erschien, damit mein Vater sie unterschreibe.
Er hat das jeweils in seiner schönsten Schrift getan. Als Kinder haben wir darüber gelächelt, denn es wurde unterschrieben ohne zu wissen, was der genaue Inhalt war. Wie naiv wir doch damals waren! Was wird heute in der Zeit der Papierfülle alles unterschrieben, ohne dass der Gefertigte weiß, was der Inhalt des Schriftstückes ist.
Die letzten Kirchenräte – sie amtierten noch unter Pfarrer Jaros (1961 -1971) – waren: Paul Rusowitsch (ausgezeichnet mit dem Stefanus Orden), Hans Förster (ausgezeichnet mit dem Stefanus Orden), Thomas Matzak (ausgezeichnet mit dem Stefanus Orden) und Ferdinand Hanacek.
Nach dem 2. Vatikanischen Konzil (1959 – 1961) trat an Stelle des Kirchenrates der Pfarrgemeinderat. In Breitensee war dies während der Amtszeit von Pfarrer Temel (1971 – 1977). Der Pfarrgemeinderat wurde in freier Wahl gewählt. Die ersten Pfarrgemeinderäte waren: Oberschulrat Josef Alena, Johann Förster, Ferdinand Hanacek, Helmut Hübl, später Josef Ankowitsch, Thomas Matzak, Dr. Erwin Peckl, Paul Rusowitsch und Anna Valis.
Gegenwärtig setzt sich der Pfarrgemeinderat aus folgenden Personen zusammen:
Vorsitzender – wie stets schon vorher, der jeweilige Pfarrer, jetzt Boleslav Ochot, 1. Stellvertreter Anna Valis (Karitas), Hubert Förster (Finanz), Brigitte Hemmelmeyer (Schriftführerin), Franz Schulz (Bauwesen), Rudolf Sellinger (Jugendbetreuung), Ottilie Zelenka (Liturgie).
Ein Kirchenamt inne zu haben, gilt stets als Auszeichnung. Wünschen wir den sich zur Zeit im Amte befindlichen Mitbürgern viel Freude und Erfolg bei ihrer Arbeit und sagen wir ihnen gegebenenfalls unsere Unterstützung zu.
Pfarrkirche Breitensee 2009
Übersicht/Quellen
Übersichten
- Kirchenrenovierungen
Größere Kirchenrenovierungen wurden durchgeführt unter:
- Lokalkaplan Gotthard Bartusch (1784 – 1788)
- Lokalkaplan Josef Franz von Hegedüs (1831 – 1834)
- Lokalkaplan Franz Hirsch (1848 – 1853)
- Pfarrer Laurenz Schuster (1874 -1892)
- Pfarrer Josef Paul Vogelsang (1926)
- Pfarrer Josef Paul Vogelsang (1939)
- Pfarrer Robert Jaros (1965)
- Pfarrer Boleslav Ochot (1983) Kirchenorgel
- Lokalkaplan Bartusch erwirbt 1784 die Orgel aus der Lorettokapelle Marchegg.
- Lokalkaplan Franz Wewerka lässt die alte Orgel, „die nicht mehr zum Anhören war“, durch eine „nicht ganz neue Orgel“ 1835 ersetzen.
- Pfarrer Mathias Newolka ersteht 1861 eine neue Orgel.
- Pfarrer Josef Paul Vogelsang lässt 1930 die inzwischen unbrauchbar gewordene Orgel durch ein Orgelharmonium ersetzen. Von dieser alten Orgel wissen wir, dass sie 4 Register hatte, mit einem Blasebalg, der von den Ministranten abwechselnd getreten, und so das Instrument in Betrieb gesetzt wurde, und dass am 21. Jänner 1918 die Prospektpfeifen (Metallpfeifen, Zinn) von der Heeresverwaltung weggenommen wurden.
- Pfarrer Boleslav Ochot lässt 1983 wieder eine (mechanische) Kirchenorgel – als Spende des Kultur- und Festausschusses sowie der Jagdgesellschaft installieren.
Das bisher in Verwendung gestandene Orgelharmonium wird an die Kapelle in Schlosshof abgegeben.
- Glocken
Aus Aufzeichnungen in der Pfarrchronik kann erschlossen werden, dass zu Beginn der Pfarrgründung 2, wahrscheinlich kleinere Glocken, vorhanden waren.
- Lokalkaplan Ruffin Schäfer lässt 1792 „mitten im Orte einen Turm mit einem Glöckel“ errichten.
- Lokalkaplan Franz Hirsch lässt 1859 eine neue Glocke aufziehen, im gleichen Jahr ein „Sterbeglöckchen“ inmitten des Dorfes aufstellen und die kleinere Glocke, die sich bis dahin auf dem Turm befand, unter das Kirchendach – über dem Chor – versetzen.
- Pfarrer Laurenz Schuster lässt 1880 die neue „große Glocke“ (324 kg Gewicht) aufziehen.
- Unter Pfarrer Adolf Sedlacek wird die mittlere Glocke (11er Glocke, weil früher nicht nur um 12 Uhr sondern auch um 11 Uhr eine Glocke geläutet wurde) erworben (1893). Eine alte, kleinere Glocke wird gleichzeitig abgegeben. Diese hatte ein Gewicht von 65 kg. 1899 wird die kleinste Glocke, die sich bisher unter dem Kirchendach befand auf den Turm verlagert. (=Sterbeglocke, Zügenglöckchen). Alle Glockenseile werden in die Sakristei geleitet.
- 1914 werden unter Pfarrer Augustin Schenk die beiden großen Glocken zu Kriegszwecken abgenommen und eingeschmolzen.
- Pfarrer Augustin Schenk erlebt 1925 zu seiner besonderen Freude die Weihe zweier Glocken, die für die im Kriege abgegebenen Glocken neu angekauft wurden.
- Während der Amtszeit von Pfarrer Josef Paul Vogelsang werden 1942 die große und die mittlere Glocke für Kriegszwecke abgenommen.
- 1955 werden unter Pfarrer Josef Paul Vogelsang die im Kriege abgegebenen Glocken durch ein neues Geläute ersetzt.
Besuche durch den Diözesanbischof
1912 Visitation und Firmung durch Kardinal Fürsterzbischof Dr. Franz Nagl
1939 Visitation durch Kardinal Dr. Theodor Innitzer
1967 Visitation durch Kardinal Dr. Franz König
1979 Firmung durch Kardinal Dr. Franz König anläßlich der Feier „400 Jahre
Breitensee“
Seite 78
Festveranstaltungen im Jubiläumsjahr 1984
9.3. 16.3.1984
Gemeindemission – durchgeführt von Dechant Konsistorialrat
12.5.1984
Feier zum Muttertag – Vortrag mit Lichtbildern „Das Werden der Pfarre Breitensee unter Einbeziehung der Geschichte unserer Marchfeldheimat bei besonderer Beachtung der kulturgeschichtlichen Stellung der Frau“ (Franz Garhöfer)
Rahmenprogramm durch die Feuerwehrkapelle und durch den Kirchenchor.
26.5.1984
Kirchenvisitation und Firmung durch Weihbischof Dr. Karl Moser
29.6.1984
Feierliche Gedenkfestmesse als Feldmesse im Pfarrhofgarten
25.8. – 2.9.1984
Pilgerfahrt nach Rom
22.9.1984
Erntedankfest in der Maschinenhalle Kohl
17.11.1984
Dichterlesung mit Gemeinschaftssingen – verbunden mit einer Ausstellung von Bildern und Plastiken
Quellennachweis
- Otto Schilder – Der politische Bezirk Gänserndorf in Wort und Bild
- Friedrich Berger – Geomorphologische Betrachtungen über den Bezirk Gänserndorf
- Franz Hager – Erdöl und Erdgas
- Dr. H. Weigl – Die Ortsnamen
- Dr. F. Berg – Der Bezirk Gänserndorf in urgeschichtlicher Zeit
- Univ. Prof. Mitscha – Der Bezirk Gänserndorf in frühgeschichtlicher Zeit – Märheim
- Dr. H. Weigl – Die Besiedelung in der Zeit von 1000 – 1150
- A. Straihammer – Der Bezirk Gänserndorf im Spiegel der Weltgeschichte
- Msgr. K. Keck – Kirchliches Leben im Bezirk Gänserndorf
- Dr. L. Heimer – Die Bernsteinstraße in Nieder Donau
- H. u. E. Bibersteiner – Just an der Ecke dort der March
- Univ. Prof. Dr. Klaar – Kirchen- und Schloßbautypen
- Anton Schultes – Die Kriegsgeschichte des Marchfeldes
- Lothar Rendulic – Gekämpft, gesiegt, geschlagen
- K. Vancsa – Geschichte des Mittelalters
- Raimund Temel – Breitensee – eine josephinische Pfarre
- Otto Schilder – Heimatkunde heute
- Pfarre Breitensee Pfarrchronik Breitensee
- Ernst Bernleithner – Das Türkenjahr 1529 und Marchfeldkroaten
- Emil Mück – Die Geschichte von Marchegg
- A. Schultes – Die Nachbarschaft der Deutschen und Slawen an der March
- Univ. Prof. Mitscha-Märheim – Zur ältesten Besitzgeschichte des nordöstl. NÖ
- Dr. Pia Maria Plechl – Das Marchfeld
- Otto Schilder – Land an der March und Donau
Herausgeber dieser Festschrift und mit der Durchführung der Festlichkeiten um das Pfarrjubiläum ist der „Kultur- und Festausschuss Breitensee“ betraut.
Diesem gehören an:
Oberschulrat Josef Alena, Kommerzialrat Fanz Bibersteiner, Hans Efler, Regierungsrat Franz Garhöfer (Vors.), Oberlehrer Günter Harrer, Anton Hubicek, Hermann Klima, Bürgermeister Erwin Knopp, Richard Kohl (sen. u. jun.), Thomas Matzak, Johann Margitsch, Kapellmeister Günther Nührig, Pfarrer Boleslav Ochot, Vizebürgermeister Rudolf Pataki, Dr. Erwin Peckl, Ortsvorsteher Helmut Schlusche, Ernst Schmutz, Josef Sövegjarto